in unserem Kanzleibrief April 2022 möchten wir Sie insbesondere auf die Verpflichtung aller Grundstückseigentümer zur Abgabe einer Feststellungserklärung im Rahmen der Grundsteuerreform hinweisen.
Daneben haben wir weitere interessante Themen zu rechtlichen und steuerlichen Sachverhalten ausgewählt, um Sie hierüber zu informieren.
Bitte sprechen Sie uns an, falls Sie zu den einzelnen Themen Fragen haben oder weitere Informationen benötigen.
Viele Grüße
Ihr Team von Schauer Häffner & Partner
Steuerzahlungstermine im Mai
| Fälligkeit | Zahlungsfrist bei Überweisung |
Lohn- /Kirchensteuer | 10.05. | 13.05. |
Umsatzsteuer | 10.05. | 13.05. |
Gewerbesteuer | 16.05. | 19.05. |
Grundsteuer | 16.05. | 19.05. |
Sonstige Termine
24.05. | Übermittlung Beitragsnachweise für Mai 2022 |
25.05. | Zusammenfassende Meldung April 2022 |
27.05. | Fälligkeit (voraussichtliche) Beitragsschuld Mai 2022 zzgl. restliche Beitragsschuld April 2022 |
31.05. | Nachweisfrist nach §22 Abs. 3 UmwStG über die Zurechnung von Gesellschaftsanteilen (Nachweisfrist kann nicht verlängert werden) |
Die Finanzämter werden alle Grundstücke für Zwecke der Grundsteuer in Deutschland auf den Stichtag 01. Januar 2022 neu bewerten. Betroffen sind hiervon ca. 36 Mio. Grundstücke.
Hierfür ist eine Feststellungserklärung abzugeben. Die Abgabe der Erklärungen wird voraussichtlich ab 01. Juli 2022 möglich sein (https://finanzamt-bw.fv-bwl.de/,Lde/Startseite/Grundsteuer-neu) und soll bis zum 31.10.2022 erfolgen.
Die hierzu erforderlichen Angaben weichen von Bundesland zu Bundesland ab.
In Baden-Würrtemberg sollen alle Grundstückseigentümer von der Finanzverwaltung ein Schreiben erhalten, in dem die wichtigsten Daten zum Ausfüllen der Erklärung bereits enthalten sind.
Für die Erstellung der Erklärung werden für in Baden-Württemberg belegene Grundstücke nachstehende Daten benötigt:
Die Erklärung kann durch den Steuerpflichtigen selbst erstellt werden, sie ist verpflichtend elektronisch an das Finanzamt zu übermitteln. Dies ist über das Portal „Mein ELSTER“ nach vorheriger, kostenloser Registrierung unter www.elster.de möglich. Die Finanzverwaltung bittet zu beachten Sie, dass die Registrierung bis zu zwei Wochen in Anspruch nehmen kann.
Selbstverständlich übernehmen wir gerne diese Aufgabe für Sie.
Durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde dem Gesetzgeber auferlegt bis zum 31. Juli 2022 eine Neuregelung der Vollverzinsung nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 zu treffen (vgl. 10/2021), da der bisherige Zinssatz von 6% pro Jahr nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Der Zinssatz für Zinsen nach 233a AO soll für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 rückwirkend auf 0,15%pro Monat, d.h. 1,8% pro Jahr gesenkt werden.
Der neue Zinssatz soll weder für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen für Verzinsungszeiträume vor dem 1.1.2019 gelten noch soll er für andere Zinsen (insbesondere Stundungs-, Hinterziehungs-,
Prozess- und Aussetzungszinsen) gelten.
Quelle:
Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung
Das Bundesverfassungsgericht hat die Vollverzinsung für unzulässig erklärt, sodass ab 2019 keine Zinsen mehr erhoben werden dürfen. Vor diesem Hintergrund hält das Finanzgericht Münster auch die Höhe der Säumniszuschläge seit 2019 für verfassungsrechtlich bedenklich.
Hintergrund
Antragstellerin war eine GmbH. Sie erwarb im Jahr 2019 ein Grundstück. Die für den Erwerb fällige Grunderwerbsteuer zahlte die Antragstellerin verspätet, sodass das Finanzamt Säumniszuschläge festsetzte. Gegen den Abrechnungsbescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzamt lehnte beides ab. Daraufhin wandte sich die Antragstellerin an das Finanzgericht und machte Bedenken wegen der Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge geltend. Hierbei berief sie sich insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit von Zinsen.
Entscheidung
Das Finanzgericht gab dem Antrag statt und gewährte die Aussetzung der Vollziehung. Die für eine Aussetzung erforderlichen ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn bei der Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts auch gewichtige Gründe gegen eine Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sprechen. Nach diesen Maßstäben war hier die Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Die Säumniszuschläge sind zum einen Druckmittel, zum anderen beinhalten sie aber auch einen Zinsanteil. Hinsichtlich dieses Zinsanteils hat der Bundesfinanzhof bereits in der Vergangenheit verfassungsrechtliche Bedenken geäußert.
Nach Auffassung des Finanzgerichts ist eine Aufsplittung von Säumniszuschlägen in einen verfassungswidrigen und verfassungsrechtlich unbedenklichen Teil nicht möglich. Es kann stattdessen nur darüber entschieden werden, ob die Höhe der Säumniszuschläge insgesamt zulässig ist oder nicht. Da "teilweise" Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge fraglos bestehen, hat eine Aussetzung der Vollziehung in voller Höhe zu erfolgen.
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat sein Schreiben aus dem Jahr 2021 zur Nutzungsdauer von Computerhardware und Software aktualisiert. Das BMF hält im Grundsatz daran fest, dass die Nutzungsdauer für Soft- und Hardware nur ein Jahr beträgt. Es stellt aber u. a. klar, dass der Steuerpflichtige von der Annahme einer einjährigen Nutzungsdauer auch abweichen kann.
Hintergrund
Computerhard- und Software sind wie alle anderen abnutzbaren Wirtschaftsgüter grundsätzlich über die Nutzungsdauer abzuschreiben. Das BMF hat im letzten Jahr ein Schreiben veröffentlicht, nach dem grundsätzlich eine einjährige Nutzungsdauer für Hard- und Software zugrunde gelegt werden kann (s. Mandanten-Information 3/2021).
Wesentlicher Inhalt des aktuellen BMF-Schreibens
Aus dem Hinweis, dass es sich nicht um eine Sofortabschreibung handelt, folgt, dass die Soft- und Hardware kein geringwertiges Wirtschaftsgut ist und auch nicht als solche bilanziert werden darf, wenn die Soft- und Hardware die Betragsgrenze von 800 € für geringwertige Wirtschaftsgüter überschreitet.
Denkbar ist etwa die degressive Abschreibung für Hardware, die auch im Jahr 2022 nach einem weiteren Gesetzentwurf möglich sein soll.
Hinweis:
Die o. g. Grundsätze gelten auch für Soft- und Hardware, die bei den sog. Überschusseinkünften wie z. B. Vermietungseinkünften oder Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit eingesetzt wird.
Das Bundesfinanzministerium (BMF) gewährt aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine steuerliche Entlastungen u. a. im Bereich des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, beim Betriebsausgabenabzug und bei der Umsatzsteuer. Diese Entlastungen sollen Steuerpflichtigen helfen, ukrainische Kriegsflüchtlinge zu unterstützen.
Hintergrund
Aufgrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine sind viele Ukrainer nach Deutschland geflohen und werden hier unterstützt. Mit seinem aktuellen Schreiben will das BMF sicherstellen, dass hieraus keine nachteiligen steuerlichen Folgen für die Unterstützer entstehen.
Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens
1. Spenden und Gemeinnützigkeitsrecht
Für Spenden, die bis zum 31.12.2022 geleistet werden und auf entsprechende Ukraine-Sonderkonten von Verbänden der freien Wohlfahrtspflege oder von juristischen Personen des öffentlichen Rechts wie z. B. Gemeinden geleistet werden, gilt für den Sonderausgabenabzug der Spende der sog. vereinfachte Zuwendungsnachweis. Statt einer Spendenbescheinigung genügt also der Überweisungsbeleg.
Gemeinnützige Vereine, die nicht mildtätige Zwecke fördern wie z. B. Sportvereine, dürfen Spendenaktionen zugunsten der Ukrainer durchführen und die Spenden für ukrainische Kriegsflüchtlinge verwenden oder auf Sonderkonten mildtätiger Vereine oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts weiterleiten. Eine Satzungsänderung des Sportvereins ist also nicht erforderlich.
Außerdem können gemeinnützige Vereine Sachmittel und Personal für ukrainische Kriegsflüchtlinge einsetzen. Die Hilfsbedürftigkeit der Flüchtlinge muss nicht nachgewiesen werden.
2. Unterbringung ukrainischer Kriegsflüchtlinge
Ukrainische Kriegsflüchtlinge können in sog. Zweckbetrieben gemeinnütziger Vereine untergebracht werden. Die positiven steuerlichen Vorschriften, die für Zweckbetriebe gelten, gelten dann auch für die Unterbringung der Kriegsflüchtlinge.
Die Unterbringung der Kriegsflüchtlinge kann auch in einem Betrieb gewerblicher Art, der zu einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gehört, erfolgen, ohne dass dies steuerschädliche Folgen auslöst.
3. Unterstützungsmaßnahmen von Unternehmen
Unterstützungsleistungen von Unternehmen können als Betriebsausgaben in voller Höhe abgezogen werden. Der Abzug ist als „Sponsoringaufwand“ möglich, wenn das Unternehmen auf seine Unterstützung öffentlichkeitswirksam in den Medien aufmerksam macht.
4. Arbeitslohnspenden und Aufsichtsratsspenden
Arbeitslohnspenden sind steuerfrei. Der Arbeitnehmer kann also auf einen Teil seines Lohns verzichten, damit der Arbeitgeber diesen Teil zugunsten von Arbeitnehmern einsetzt, die vom Krieg geschädigt sind, oder damit der Arbeitgeber diesen Teil auf ein Ukraine-Sonderkonto einzahlt. Neben der Steuerfreiheit ist ein gleichzeitiger Spendenabzug jedoch nicht zulässig.
Ebenso kann ein Mitglied eines Aufsichtsrats auf seine Vergütung ganz oder teilweise verzichten, damit sie zugunsten ukrainischer Kriegsflüchtlinge eingesetzt wird. Dieser Teil der Vergütung ist dann steuerfrei.
5. Umsatzsteuer
Unterstützungsleistungen zugunsten der Ukraine-Flüchtlinge lösen keine nachteiligen umsatzsteuerlichen Folgen aus. Die Bereitstellung von Sachmitteln oder Personal für humanitäre Zwecke wird also nicht als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer unterworfen. Ebenso unterbleibt eine Vorsteuerberichtigung zulasten des Unternehmers, wenn er Wohnraum unentgeltlich Kriegsflüchtlingen überlässt.
Hinweis:
Die hier wiedergegebenen Erleichterungen sind teilweise an weitere Voraussetzungen geknüpft und gelten für Maßnahmen, die vom 24.2.2022 bis zum 31.12.2022 durchgeführt werden. Sprechen Sie uns bei Fragen zu dem Thema an.
Das Bundeskabinett hat nachstehenden Entwurf beschlossen:
Quelle:
Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise -Viertes Corona-Steuerhilfegesetz-
(Bundesrat Drucksache 83/22 vom 25.2.2022)
Die Finanzverwaltung hat aufgrund der Corona-Krise den Schutz der Steuerzahler bei Steuernachzahlungen und -vorauszahlungen sowie im Fall einer Vollstreckung erneut verlängert. Die bisherigen Schutzmaßnahmen, die bis zum 31.3.2022 befristet waren (s. hierzu unsere Mandanten-Information 2/2022), werden auf Antrag nun mindestens bis zum 30.6.2022 verlängert.
Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen (§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz – EFZG).
Der Nachweis der Krankheit wird durch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geführt. Diese Bescheinigung ist das gesetzlich vorgesehene Beweismittel.
Den Beweiswert einer solchen Bescheinigung kann der Arbeitgeber erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Gelingt das dem Arbeitgeber, muss der Arbeitnehmer substantiiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war.
Im vorliegenden Streitfall kündigte eine Arbeitnehmerin ihr Arbeitsverhältnis und reichte noch am Tag des Zugangs der Kündigungserklärung bei ihrem Arbeitgeber eine Krankschreibung ein, die zeitlich gesehen auf den Tag genau der Länge der Kündigungsfrist entsprach.
Daraufhin verweigerte der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dies anerkannt. „Kündigt ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis und wird er am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung insbesondere dann erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst.
Quelle:
BAG- Urteil vom8.9.21 – 5 AZR 149/21 (BAG Pressemitteilung vom 8.9.2021)
Liegt eine unfaire Verhandlungssituation vor, kann ein Aufhebungsvertrag unwirksam sein. Ein Arbeitgeber verstößt jedoch nicht gegen das Gebot fairen Verhandelns, wenn er eine sofortige Unterzeichnung des Vertrags erwartet.
Hintergrund
Eine Arbeitnehmerin, die als Teamkoordinatorin Verkauf im Bereich Haustechnik beschäftigt war, wehrte sich gegen einen Aufhebungsvertrag. Diesen hatte sie nach einem Gespräch mit dem Geschäftsführer und einem anwesenden Anwalt für Arbeitsrecht unterzeichnet. Dazu wurde sie in das Büro des Geschäftsführers gebeten, wo ihr der vorbereitete Vertrag vorgelegt wurde. Ihr wurde vorgeworfen, dass sie unberechtigt die Einkaufspreise in der EDV des Arbeitgebers reduziert habe, um einen größeren Gewinn vorzutäuschen. Nach ungefähr 10 Minuten, in denen sie schweigend am Tisch saß, unterschrieb sie den Aufhebungsvertrag, der das einvernehmliche Ende des Arbeitsverhältnisses zum Ende November 2019 zum Inhalt hatte.
Die Arbeitnehmerin hat den Aufhebungsvertrag angefochten. Sie machte geltend, dass ihr mit der außerordentlichen Kündigung und einer Strafanzeige gedroht worden sei, für den Fall, dass sie den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnet. Sie habe um längere Bedenkzeit gebeten, was ihr ebenso verwehrt wurde wie sich Rechtsrat zu holen. Damit habe der Arbeitgeber aus ihrer Sicht gegen das Gebot des fairen Handelns verstoßen.
Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung der Vorinstanz zugunsten des Arbeitgebers bestätigt. Der Aufhebungsvertrag war nicht aufgrund einer widerrechtlichen Drohung zustande gekommen. Auch wenn das Gespräch so wie die Arbeitnehmerin es geschildert hatte, stattgefunden hat, sei darin keine unberechtigte Drohung zu erkennen. Vielmehr sei der Arbeitgeber in so einem Fall berechtigt, die Kündigung auszusprechen sowie Strafanzeige zu stellen.
Die Maßstäbe zum Gebot des fairen Verhandelns wurden von der Vorinstanz richtig angewandt und ausgelegt. Dieses Gebot als "arbeitsvertragliche Nebenpflicht ist dann verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die dem Vertragspartner eine freie und überlegte Entscheidung über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erheblich erschwert".
Hier war die Entscheidungsfreiheit der Arbeitnehmerin nicht dadurch verletzt, dass der Arbeitgeber ihr den Aufhebungsvertrag zur sofortigen Annahme vorgelegt habe, sodass sie sich direkt habe entscheiden müssen. Das Gericht sei damit zutreffend zu dem Schluss gekommen, dass der Arbeitgeber nicht gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen habe.
Das betriebliche Eingliederungsmanagement stellt keine formale Voraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung dar. Lädt der Arbeitgeber jedoch zu einer solchen Maßnahme ein, sollte er die Angaben zum Datenschutz sorgfältig formulieren.
Hintergrund
Ein Produktionsfacharbeiter in einem Großbetrieb fiel seit 2016 durch kurze, aber häufige krankheitsbedingte Fehlzeiten auf. Bis einschließlich 2019 kamen 6 bis 10 Wochen in jedem Jahr zusammen, in denen der Arbeitgeber Entgelt zahlen musste, ohne dass der Mitarbeiter seine Arbeit verrichtete.
Der Arbeitgeber lud den Arbeitnehmer zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ein, worauf dieser nicht reagierte. Daraufhin folgte die ordentliche personenbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer wehrt sich mit seiner Klage gegen die Kündigung.
Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht.
Der Arbeitgeber, der das betriebliche Eingliederungsmanagement von vornherein sein lässt, trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast, dass es objektiv nutzlos ist. Wenn auch nur ein kleiner Hoffnungsschimmer besteht, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement ein positives Ergebnis hätte bringen können, liegt eine "vorschnelle" Kündigung vor, die nicht zulässig ist.
Zwar war im vorliegenden Fall der Arbeitgeber willens, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen. Jedoch wurde ihm sein Einladungsschreiben zum Verhängnis. Er hatte es in Bezug auf die Behandlung der Daten des Arbeitnehmers missverständlich gefasst.
Der Arbeitgeber darf auch im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements Diagnosen oder ähnlich sensible (Gesundheits-)Daten vom Arbeitnehmer nur erfahren, wenn dieser das ausdrücklich möchte. Es reicht, wenn er die Art der Einschränkung kennt, um den Arbeitsplatz leidensgerecht zu gestalten.
Das vorliegende Einladungsschreiben konnte aber so verstanden werden, dass Daten des Arbeitnehmers ggf. der Standortleitung bekannt gegeben würden, ohne Hinweis auf die Freiwilligkeit der Offenbarung durch den Arbeitnehmer. Wäre der Datenschutz korrekt wiedergegeben worden, hätte sich der Arbeitnehmer vielleicht auf ein betriebliches Eingliederungsmanagement eingelassen.
Zinsen aus Forderungen gegenüber einer GmbH & Co. KG unterliegen dem Abgeltungsteuersatz, wenn die verheirateten Gläubiger ihre Beteiligungen an der KG und an der Komplementär-GmbH auf eine von ihnen errichtete Familienstiftung übertragen haben. Ein Näheverhältnis des Gläubigers der Kapitalerträge zu einer Personengesellschaft ist nur zu bejahen, wenn der Gläubiger aufgrund seiner beherrschenden Stellung in der Stiftung mittelbar in der Lage ist, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen.
Hintergrund
Die Eheleute waren zunächst je hälftig an der N-GmbH & Co. KG (N-KG) sowie an der N-GmbH (Komplementärin) beteiligt. Im Jahr 2014 übertrugen sie ihre Anteile (KG und GmbH) auf eine von ihnen errichtete Familienstiftung. Deren Zweck war es, dem Wohle der Stifterfamilie zu dienen.
Vorstand der Stiftung waren die Eheleute mit einer von ihnen benannten Person. Vertretungsberechtigt war der Vorsitzende bzw. sein Stellvertreter, jeweils gemeinsam mit einem weiteren Mitglied. Solange einer der Stifter Mitglied des Vorstands war, konnte er die Stiftung allein vertreten. Die Gesellschafterrechte der Stiftung wurden vom Vorstandsvorsitzenden bzw. seinem Stellvertreter wahrgenommen.
Die Eheleute hatten der N-KG Darlehen gewährt, die in den Jahren 2014 und 2015 mit 6 % und im Jahr 2016 mit 3 % über dem Basiszinssatz verzinst wurden. Die Darlehen wurden nach der Übertragung der Kommanditanteile auf die Stiftung von der KG weitergeführt.
Das Finanzamt unterwarf die Zinseinkünfte der Eheleute dem tariflichen Einkommensteuer-Satz.
Das Finanzgericht gab dem Antrag auf Anwendung des Abgeltungsteuersatzes statt. Denn keiner der Ehegatten stand in einem Näheverhältnis zu der KG, da er für sich nicht die Mehrheit im Stiftungsvorstand hatte.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof wies die Revision des Finanzamts zurück. Die Eheleute konnten mittelbar über die Stiftung keinen beherrschenden Einfluss ausüben.
Die Eheleute waren außerdem an einer weiteren KG (X-KG) im gleichen Verhältnis beteiligt. Diese KG hatte der N-KG ein Grundstück überlassen. Damit stellte sich die Frage der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung und der möglichen Folge der Zurechnung der Forderungen zum Sonderbetriebsvermögen der X-KG und der Zinsen zu den gewerblichen Einkünften. Im Streitfall lagen allerdings die Zuordnungsvoraussetzungen nicht vor. Im Übrigen wurden die Darlehen zu fremdüblichen Bedingungen vereinbart. Damit fehlen regelmäßig die betrieblichen Interessen der Besitzpersonengesellschaft.
Der Abgeltungsteuersatz gilt nicht, wenn Gläubiger und Schuldner einander nahestehende Personen im Sinne eines Beherrschungsverhältnisses sind. Das ist der Fall, wenn der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses für den Abschluss des Darlehens im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt. Ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes, persönliches Näheverhältnis genügt nicht.
Bei einer Personengesellschaft kann ein Gesellschafter einen beherrschenden Einfluss grundsätzlich nur dann ausüben, wenn er aufgrund der Stimmrechtsverhältnisse seine Mitgesellschafter überstimmen kann. Das scheidet hier schon deshalb aus, weil die Eheleute im Zuflusszeitpunkt nicht mehr an der N-KG beteiligt waren. Die Beherrschung kann auch mittelbar über eine Beteiligungsgesellschaft ausgeübt werden. Nur in Ausnahmefällen kann ein Gesellschafter – trotz fehlender Stimmenmehrheit – die Gesellschaft faktisch beherrschen.
Zwar hatte die Stiftung als alleinige Kommanditistin einen beherrschenden Einfluss in der N-KG. Jedoch waren weder der Ehemann noch die Ehefrau jeweils für sich in der Lage, die Einflussmöglichkeiten, die der Stiftung auf Ebene der N-KG zustanden, mittelbar zu beherrschen. Denn aufgrund der Besetzung des Stiftungsvorstands mit 3 Mitgliedern konnten weder der Ehemann noch die Ehefrau Mehrheitsbeschlüsse des Vorstands ohne die Mitwirkung eines anderen Vorstandsmitglieds herbeiführen.
Die Eheleute waren jeweils einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der N-GmbH (Komplementärin der N-KG). Auch das führt nicht zur Beherrschung der N-KG durch sie. Denn das Beherrschungsverhältnis muss so beschaffen sein, dass der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Denn die N-GmbH war nicht zur Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Darlehens durch die N-KG befugt. Dazu war die vorherige Zustimmung der Gesellschafter der N-KG erforderlich. Damit konnten die Eheleute nicht allein aufgrund ihrer Stellung als einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der N-GmbH die N-KG dazu veranlassen, ihnen gegenüber eine Darlehensverbindlichkeit einzugehen.
Die Änderung des Geschäftsjahres einer GmbH kann nicht rückwirkend erfolgen, sondern muss vor Beginn des neuen und Ablauf des entstandenen Rumpfgeschäftsjahres zum Handelsregister angemeldet werden.
Hintergrund
Eine GmbH hatte in ihrer Satzung das Kalenderjahr als Geschäftsjahr festgelegt. Mit Beschluss der Gesellschafter aus August 2020 sollte das Geschäftsjahr auf den Zeitraum vom 1.10.-30.9. geändert werden. Der Geschäftsführer meldete die Änderung im Januar des darauffolgenden Jahres 2021 zum Handelsregister an. Das Registergericht wies dies zurück, da die Dauer des Rumpfgeschäftsjahres unklar und zudem eine rückwirkende Änderung des Geschäftsjahres unzulässig war.
Entscheidung
Die Beschwerde der Gesellschaft war erfolgreich. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts lag weder eine unzulässige Rückwirkung vor noch bestanden hinsichtlich des Rumpfgeschäftsjahres Unklarheiten. Es war ausreichend, dass die Änderung während des neuen Rumpfgeschäftsjahres (bis 30.9) und vor Beginn des neuen Geschäftsjahres, d.h. vor dem 1.10.2021 erfolgte. Da aus dem Handelsregister das Datum der Eintragung und damit der Wirksamkeit der Änderung zu entnehmen war, wurde der Rechtsverkehr auch hinreichend geschützt.
Wenn eine Unternehmergesellschaft im Außenverhältnis ohne Angabe der Rechtsform und des Zusatzes der Haftungsbeschränkung auftritt, haftet der handelnde Vertreter persönlich.
Hintergrund
Der Beklagte war zuerst Prokurist und später alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der V. UG. Die V. UG ist im Bereich Anlageberatung und Finanzvermittlung tätig. Der Kläger investierte nach mehreren Beratungsgesprächen, die der Beklagte für die V. UG führte, in eine hochriskante Anlage. Bei der Beratung trat der Beklagte zwar für die V. UG auf. Allerdings fehlte dabei der gesetzlich vorgeschriebene Zusatz "haftungsbeschränkt" und auch den Zusatz "UG" führte der Beklagte nur zum Teil. Der Kläger macht Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung gegenüber dem Beklagten persönlich geltend.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof gab dem Kläger Recht und entschied, dass eine Haftung des Beklagten aufgrund sog. Rechtsscheinhaftung in Betracht komme. Denn tritt ein Vertreter einer UG im Geschäftsverkehr ohne den Zusatz "haftungsbeschränkt" auf, erwecke er bei einem Vertragspartner den Anschein, dass zumindest eine natürliche Person unbeschränkt und somit auch mit ihrem Privatvermögen hafte. Dies gelte vor allem bei der Rechtsform der Unternehmergesellschaft. Denn diese beinhaltet ohne den Zusatz gerade keinen Hinweis auf die beschränkte Haftung. Daher sei die gesetzliche Vorgabe exakt und buchstabengetreu einzuhalten.
Die Einbringung des Gewerbebetriebs einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft führt nicht zu einem vollständigen Unternehmerwechsel. Zwar sind Personengesellschaften selbst Gewerbesteuerschuldner, als Unternehmer sind aber ihre Gesellschafter anzusehen.
Hintergrund
Die Klägerin ist eine GmbH, die ein Bauunternehmen betreibt. Gesellschafter waren Frau H. X. zu 26 % und Herr G. X., der auch Geschäftsführer war, zu 74 %. Im Jahr 2009 beteiligten sich Frau und Herr X. jeweils als atypisch stille Gesellschafter an der GmbH. Für die GmbH wurde auf den 31.12.2009 ein vortragsfähiger Gewerbeverlust festgestellt.
Das Finanzamt ging von einer Mitunternehmerschaft aus. Der bei der GmbH zum 31.12.2009 bestehende vortragsfähige Gewerbeverlust konnte deshalb nicht berücksichtigt werden, da er nicht auf die Mitunternehmerschaft übergegangen war. Der Gewerbeverlust konnte lediglich auf der Ebene der GmbH weiter vorgetragen und ggf. mit deren zukünftigen Gewinnen verrechnet werden. Die Klägerin war der Ansicht, dass eine Unternehmeridentität gegeben war.
Entscheidung
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte Erfolg. Voraussetzung für einen Verlustabzug ist, dass der Gewerbetreibende den Verlust in eigener Person erlitten hat (Unternehmeridentität). Dies ist hier gegeben. Die Einbringung des Betriebs einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft bzw. atypisch stille Gesellschaft stellt keinen Unternehmerwechsel dar.
Dies liegt daran, dass Unternehmer des Betriebs einer Personengesellschaft die Mitunternehmer der Personengesellschaft sind. Da die Identität einer Person entscheidend ist, um einen Unternehmerwechsel im Ganzen auszuschließen, kommt es auch nicht darauf an, ob diese Person den Gewerbebetrieb allein oder zusammen mit neuen Unternehmern weiterbetreibt.
Darüber hinaus liegt hier die erforderliche Unternehmensidentität vor, d. h. das Unternehmen der Mitunternehmerschaft ist hier für Zwecke des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags identisch mit dem Unternehmen der GmbH.
Nicht nur die GmbH, auch der Geschäftsführer kann Verantwortlicher gem. der DSGVO sein. Damit besteht ein weiterer Anknüpfungstatbestand für die Außenhaftung des Geschäftsführers.
Hintergrund
Der Kläger strebte die "Mitgliedschaft" bei einer GmbH an. Vor dem Hintergrund dieser Mitgliedschaftsanfrage ließ der Geschäftsführer im Namen der GmbH die Beteiligung des Klägers an strafrechtlich relevanten Handlungen prüfen. Als sich diese bestätigte, wurde die Mitgliedschaftsanfrage des Klägers abgelehnt.
Daraufhin verklagte der Kläger sowohl die GmbH als auch den Geschäftsführer persönlich auf immateriellen Schadensersatz wegen Datenschutzverstößen. Erstinstanzlich wurden die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz wegen Verletzung der Rechte des Klägers aus der DSGVO verurteilt.
Entscheidung
Die Berufung des Klägers mit dem Ziel, eine höhere Schadensersatzsumme zu erlangen, hatte keinen Erfolg.
Ein jeweils selbstständiger Verstoß gegen die Vorschriften der DSGVO durch die GmbH und den Geschäftsführer stand rechtskräftig fest. Denn die mit Blick auf das Ausspähen des Klägers vorgenommene Verarbeitung der Daten des Klägers sei mangels einer Einwilligung des Klägers rechtswidrig. Solch ein Verstoß könne zudem weder gem. Art. 6 DSGVO gerechtfertigt werden noch handele es sich hier um einen Bagatellverstoß.
Beide Beklagten seien hierfür verantwortlich. Denn maßgeblich für einen Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO sei die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit, die dann zu bejahen ist, wenn eine natürliche oder juristische Person alleine oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und die Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheiden kann und entscheidet. Vor diesem Hintergrund entfalle regelmäßig die Verantwortlichkeit weisungsgebundener Angestellter oder sonstiger Beschäftigter, die eines GmbH-Geschäftsführers allerdings nicht.
Das Bundesfinanzministerium (BMF) sieht die Ausstellung digitaler Corona-Impfzertifikate durch Ärzte nicht als gewerbliche Tätigkeit, sondern als freiberufliche Tätigkeit an. Bei ärztlichen Gemeinschaftspraxen kommt es daher durch die Ausstellung digitaler Corona-Impfzertifikate nicht zu einer sog. Infektion der ansonsten freiberuflichen Tätigkeit; die Gemeinschaftspraxis wird also nicht gewerbesteuerpflichtig.
Hintergrund
Erzielt eine freiberuflich tätige Personengesellschaft auch gewerbliche Einkünfte, kann es bei Überschreitung einer Bagatellgrenze zu einer sog. Infektion der freiberuflichen Einkünfte kommen, so dass die gesamten Einkünfte als gewerblich angesehen werden. Dies führt dann zur Gewerbesteuerpflicht. Derartige Risiken bestehen z. B. bei einer zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis, die Zahnpflegemittel verkauft, oder bei einer Musikband, die Merchandising-Artikel wie etwa T-Shirts oder Tassen vertreibt.
Wesentliche Aussage des BMF
Das BMF nimmt in einem Fragen-Antwort-Katalog zu Einzelfragen bezüglich der steuerlichen Folgen der Corona-Krise Stellung, u. a. auch zur Ausstellung digitaler Impfzertifikate durch ärztliche Gemeinschaftspraxen:
Hinweis:
Würde die Ausstellung digitaler Impfzertifikate zu gewerblichen Einkünften führen, müssten ärztliche Gemeinschaftspraxen diese Tätigkeit durch eine gesonderte Gesellschaft ausführen, um eine sog. Infektion ihrer freiberuflichen Einkünfte zu vermeiden. Es wäre dann nur der Gewinn, der von der gesonderten Gesellschaft durch Ausstellung der Impfzertifikate erzielt worden ist, gewerbesteuerpflichtig.
Bei freiberuflich tätigen Einzelunternehmern gibt es nach dem Gesetz keine Infektion ihrer freiberuflichen Einkünfte, wenn sie zusätzlich auch gewerbliche Einkünfte erzielen und die freiberufliche Tätigkeit von der gewerblichen Tätigkeit trennen.
Zu erwähnen ist noch eine Verfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt a.M., nach der auch die Durchführung von Corona-Tests durch Ärzte nicht zu gewerblichen Einkünften führt, auch wenn sich der Arzt der Mithilfe von Arzthelfern bedient, sofern der Arzt leitend und eigenverantwortlich tätig ist. Damit droht auch insoweit keine „Infektion“ der freiberuflichen Einkünfte.
Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG unter bestimmten Voraussetzungen auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen.
Dabei können u.a. als Unterkunftskosten für eine doppelte Haushaltsführung im Inland die tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft angesetzt werden, beschränkt jedoch auf höchstens 1.000 EUR im Monat.
Bei der Zweitwohnungssteuer für eine zweite Wohnung am Arbeitsort stellt sich die Frage, ob die Zweitwohnungssteuer zu den im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung der Höhe nach nur beschränkt abzugsfähigen Unterkunftskosten gehört. Dies ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.
Das Finanzgericht München hat zu Gunsten der Arbeitnehmerin folgende Entscheidung getroffen:
„1. Eine Zweitwohnungssteuer (hier: der Stadt München) für das Unterhalten einer Wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte (im Streitfall: München) im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung gehört nicht zu den „Unterkunftskosten“ im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG und ist daher zusätzlich zu dem in der Vorschrift genannten Höchstbetrag von 1.000 EUR monatlich als Werbungskosten abziehbar (gegen BMF-Schreiben v. 24.10.2014, IV C 5 – S 2353/14/10002, BStBl 2014 S. 1412).
2. Zu den Unterkunftskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG gehören nicht die (gesamten) Kosten des Zweithaushalts, sondern nur die Kaltmiete zuzüglich der Betriebskosten. Nicht darunter fallen aber Aufwendungen, die mittelbar oder gelegentlich im Zusammenhang mit der Anmietung einer Wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte entstehen, etwa durch melderechtliche Vorschriften wie der Anmeldung eines Nebenwohnsitzes und damit verbunden der Festsetzung einer Zweitwohnungssteuer.“
Quelle:
FG München, Urteil vom 26.11.2021 – 8 K 2143/21- Revision eingelegt; Az. BFH: VI R 30/21 (EFG 2022 S. 322)
Werden minderjähriger Kinder als stille Gesellschafter einer Arztpraxis beteiligt, kann diese als Innengesellschaft bürgerlichen Rechts steuerlich anerkannt werden. Das gilt auch dann, wenn die Beteiligung oder die zum Erwerb der Beteiligung aufzuwendenden Mittel den Kindern unentgeltlich zugewendet worden sind.
Hintergrund
Z räumte seinen 3 minderjährigen Kindern mit notarieller Erklärung jeweils schenkungsweise eine stille Beteiligung i. H. v. 50.000 EUR an seiner Zahnarztpraxis ein. Für die Kinder war ein Ergänzungspfleger bestellt worden.
Die Einräumung der stillen Beteiligung erfolgte im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Gegenleistungen waren nicht zu erbringen. Den Gesellschaftern stand ein Kontrollrecht zu, soweit dies mit der ärztlichen Schweigepflicht des Z vereinbar war. Die Geschäftsführung lag ausschließlich bei Z. Jeder stille Gesellschafter war mit 10 % am Gewinn beteiligt, höchstens aber mit 15 % der Einlage (= 7.500 EUR). Am Verlust sollte der Gesellschafter ebenfalls mit 10 %, höchstens mit seiner Einlage, beteiligt sein.
Im Zusammenhang mit der Schenkung bzw. Gründung der Gesellschaften erfolgten keine tatsächlichen Zahlungen in das Betriebsvermögen des Z. Z zahlte jährlich Gewinnbeteiligungen in Höhe von jeweils 7.500 EUR (gesamt 22.500 EUR) auf Bankkonten seiner Kinder, über die er selbst und die Mutter der Kinder Verfügungsmacht besaßen.
Das Finanzamt und ihm folgend das Finanzgericht lehnten den Betriebsausgabenabzug ab, da es sich um Privataufwendungen handelte.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück, da dieses nicht alle entscheidungserheblichen Aspekte des Streitfalls ermittelt und seiner Überzeugungsbildung zugrunde gelegt hat.
Mangels Betriebs eines Handelsgewerbes hat Z zivilrechtlich wirksam je eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet, auf die die Grundsätze für die Anerkennung einer stillen Gesellschaft entsprechend anwendbar sind.
Die steuerliche Anerkennung setzt voraus, dass die Vereinbarung zivilrechtlich wirksam ist, inhaltlich dem unter fremden Dritten Üblichen entspricht und auch wie unter Dritten vollzogen wird.
Gesellschaftsverträge zwischen nahen Angehörigen können auch dann anerkannt werden, wenn die Beteiligung oder die zum Erwerb der Beteiligung aufzuwendenden Mittel dem in die Gesellschaft aufgenommenen Angehörigen unentgeltlich zugewendet worden sind, vorausgesetzt, die vorgenannten allgemeinen Bedingungen (zivilrechtliche Wirksamkeit, Fremdüblichkeit, Durchführung) sind erfüllt.
Verträge zwischen Eltern und Kindern über eine Innengesellschaft entsprechen dem inhaltlichen Fremdvergleich, wenn dem Kind wenigstens annäherungsweise die Rechte eingeräumt werden, die einem stillen Gesellschafter typischerweise zukommen. Einschränkungen dieser Rechte, insbesondere hinsichtlich der Gewinnauszahlung, der Kontroll- und Informationsrechte, der Kündigungsmöglichkeiten sowie Widerrufs- oder Rückfallklauseln können zur Nichtanerkennung führen.
Hier sind insbesondere die Einlagebestimmungen, die Gewinnbeteiligungsregelungen und die Informations-/Kontrollrechte von Bedeutung.
Von diesen Grundsätzen ausgehend sind die Gesellschaftsverträge zwar zivilrechtlich wirksam. Bei der Fremdüblichkeit hat das Finanzgericht nicht die Informations-/Kontrollrechte der Kinder geprüft. Auch hat es sich nicht mit weiteren Punkten befasst wie Laufzeit, Kündigungsmöglichkeiten, Versterben eines Beteiligten, Inhaberwechsel, Auseinandersetzung nach Auflösung und Widerrufsmöglichkeiten des Z.
Auch die Feststellungen zur Vertragsdurchführung sind nicht ausreichend. Unklarheiten bestehen über die Auszahlung der Gewinnbeteiligungen, die Ausübung der Informations-/Kontrollrechte, die Verfügbarkeit der Gewinnbeteiligungen für die Gesellschafter. Diese würde fehlen, wenn Z das Guthaben nicht wie fremdes, sondern wie eigenes Vermögen behandelte.
Die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen kann nicht für die Leistung eines Statikers in Anspruch genommen werden. Das gilt auch dann, wenn sie für die Durchführung einer Handwerkerleistung erforderlich war.
Hintergrund
Die Eheleute bewohnen ein ihnen je hälftig gehörendes Einfamilienhaus. Das Dach musste ausgebessert werden. Schadhafte Holzpfosten sollten durch Stahlstützen ersetzt werden. Die beauftragte Firma K hielt eine statische Berechnung vor Ausführung der Arbeiten für erforderlich. Die Berechnung wurde von der Firma M durchgeführt.
M stellte den Eheleuten für die Berechnung 535 EUR in Rechnung. Das Finanzamt lehnte den Abzug dieser Aufwendungen als Handwerkerleistungen ab.
Das Finanzgericht gab der Klage statt. Bei der engen sachlichen Verzahnung der Arbeiten handelt es sich bei der Berechnung um einen Teil einer einheitlichen Handwerkerleistung. Es war daher unerheblich, dass K die Berechnung nicht selbst ausgeführt hat, sondern M im Auftrag der Eheleute.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und wies die Klage ab.
Ein Statiker ist nicht handwerklich tätig. Denn er erbringt lediglich Leistungen im Bereich der Planung und rechnerischen Überprüfung von Bauwerken sowie der Beurteilung der baulichen Gesamtsituation.
Der Austausch der schadhaften Pfosten stellt unstreitig eine Handwerkerleistung dar. Der Umstand, dass für diese Leistung eine weitere Leistung, die vorherige statische Beurteilung durch M, erforderlich war, führt nicht dazu, die Statikerleistung als anteilige Handwerkerleistung zu charakterisieren. Die beiden Leistungen sind jeweils getrennt zu betrachten und hinsichtlich ihrer Eigenschaft als Handwerkerleistungen zu beurteilen.
Eine von einem Unternehmer erbrachte Handwerkerleistung, die teilweise in der Werkstatt des Handwerkers erbracht wird, ist nur insoweit begünstigt, als die Leistung tatsächlich einen unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit dem Haushalt aufweist. Ist eine von einem Unternehmer erbrachte Leistung dementsprechend aufzuteilen, sind erst recht 2 getrennte und von unterschiedlichen Unternehmern erbrachte Leistungen jeweils für sich daraufhin zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der Steuerermäßigung vorliegen.
M unterhält weder einen Handwerksbetrieb noch liegt eine handwerkliche Leistung des M vor. Seine statischen Berechnungen sind keine handwerkliche Tätigkeit. Allein der Zusammenhang mit der Handwerkerleistung des K reicht nicht aus, die statischen Berechnungen des M als Handwerkerleistung einzustufen.
In Deutschland ist eine Leihmutterschaft durch Eizellenspende gesetzlich verboten. Deshalb können Aufwendungen für eine in den USA durchgeführte Leihmutterschaft nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden.
Hintergrund
Die Kläger sind 2 miteinander verheiratete Männer. Sie nahmen die Dienste einer in den USA lebenden Leihmutter in Anspruch. Diese wurde dort in einer Leihmutterklinik künstlich befruchtet, wobei die Eizelle von einer anderen Frau und die Samenzellen von einem der Kläger stammten. Das Kind lebt seit seiner Geburt bei den Klägern in Deutschland.
Die Kläger machten die im Zusammenhang mit der Leihmutterschaft angefallenen Aufwendungen (Agentur-, Reise-, Beratungs- und Untersuchungskosten sowie Kosten für Nahrungsergänzungsmittel zur Steigerung der Fertilität) i. H. v. ca. 13.000 EUR als außergewöhnliche Belastungen geltend. Dies lehnte das Finanzamt ab, weil eine Leihmutterschaft nach dem Embryonenschutzgesetz in Deutschland verboten ist.
Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg und wurde vom Finanzgericht abgewiesen. Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung, die aufgrund der Empfängnisunfähigkeit einer Frau oder der Zeugungsunfähigkeit eines Mannes getätigt werden, können als Krankheitskosten und damit als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden.
Erforderlich ist hierbei, dass die künstliche Befruchtung in Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht sowie mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte vorgenommen wird. Von der Rechtsprechung anerkannt worden sind derartige Aufwendungen unabhängig davon, ob die künstlich befruchtete Frau in einer gemischt- oder gleichgeschlechtlichen oder in gar keiner Beziehung lebe.
Im vorliegenden Fall scheiterte die Abziehbarkeit allerdings daran, dass die Behandlung nicht nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts vorgenommen wurde. Nach dem Embryonenschutzgesetz sind eine künstliche Befruchtung mit der Eizelle einer anderen Frau und ein Leihmutterschaftsverhältnis nicht erlaubt.
Auch ein Kindergeldantrag mittels E-Mail kann wirksam sein. Das gilt zumindest dann, wenn er ausreichende Angaben enthält, um der Familienkasse eine Ermittlung der Kinder, für die das Kindergeld beantragt wird, zu ermöglichen.
Hintergrund
Die Klägerin ist die Mutter von 2 Kindern. Mit E-Mail v. 16.7.2019 schrieb sie unter dem Betreff "Kindergeld", dass sie seit Mai 2018 kein Kindergeld mehr erhalten habe. Die Gutschrift des Kindergeldes sei letztmals am 9.4.2018 erfolgt.
Die Familienkasse teilte der Klägerin mit, dass die Kinder nicht mehr im Haushalt des bisherigen Kindergeldberechtigten leben würden, daher sei das bisher festgesetzt Kindergeld aufgehoben worden. Da die Kinder nun im Haushalt der Klägerin lebten, sei bis zum 29.8.2019 ein Antrag von ihr zu stellen und ein Nachweis über die Aufnahme der Kinder in den Haushalt der Klägerin zu erbringen.
Nach Ablauf der gesetzten Frist lehnte die Familienkasse den formlosen Antrag auf Kindergeld vom 16.7.2019 ab, da ein formeller Antrag auf amtlich vorgeschriebenen Vordruck bisher nicht eingereicht worden sei.
Die Klägerin trug mit ihrer Klage vor, dass das Gesetz die Stellung eines schriftlichen Antrags nicht vorsehe. Mit ihrer E-Mail v. 16.7.2019 habe sie jedoch einen schriftlichen Antrag gestellt. Eine zwingende Unterzeichnung durch Unterschrift zur Einhaltung der Schriftform sei nicht erforderlich. Es solle lediglich ausgeschlossen werden, dass eine mündliche Antragstellung erfolge.
Entscheidung
Das Finanzgericht hat entschieden, dass die E-Mail der Klägerin v. 16.7.2019 einen wirksamen Antrag auf Gewährung von Kindergeld für die Kinder der Klägerin darstellt. Zwar sei das Kindergeld bei der zuständigen Familienkasse schriftlich zu beantragen. Es entspreche höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass es bei der Stellung des Kindergeldantrags der Verwendung des amtlichen Vordrucks nicht bedürfe.
Aufgrund der E-Mail der Klägerin sei es daher der Familienkasse möglich gewesen, die betreffenden Kinder der Klägerin zu ermitteln und dieser zuzuordnen. Die Familienkasse habe die Namen der Kinder herausgefunden und geschlossen, dass für die Kinder Kindergeld beantragt werden solle. Auch hinsichtlich des Zeitraums habe die Familienkasse den Willen der Klägerin ermittelt, ab wann Kindergeld gezahlt werden solle.
Die fehlende eigenhändige Unterschrift hält das Finanzgericht nach den vorliegenden Umständen für entbehrlich. Das Gesetz verlange nicht, dass ein Kindergeldantrag eigenhändig vom Antragsteller unterschrieben sein müsse. Vielmehr sei auch eine Vertretung des Antragstellers möglich.
Kann ein volljähriges Kind eine Ausbildung krankheitsbedingt nicht aufnehmen oder fortsetzen, können die Eltern nur dann Kindergeld beanspruchen, wenn das Kind seine Ausbildungswilligkeit noch während der Erkrankung für die Zukunft erklärt.
Hintergrund
Die Tochter der Klägerin musste die Ausbildung im September 2016 wegen einer Erkrankung abbrechen. Sie meldete sich im Januar 2017 bei der Bundesagentur für Arbeit ausbildungssuchend und ging seit dem 1.8.2017 einer Ausbildung nach. Hinsichtlich der Erkrankung der Tochter wurde ein Attest der behandelnden Ärztin vorgelegt, wonach die Tochter der Klägerin in der zweiten Hälfte des Jahres 2016 erkrankt war und deshalb die Schule im September 2016 abbrechen musste.
Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung für die Monate Oktober bis Dezember 2016 auf, da die Tochter in diesem Zeitraum weder in Ausbildung noch ausbildungssuchend war. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet zurück. Zwar ist grundsätzlich auch eine Berücksichtigung als Kind ohne Ausbildungsplatz möglich, wenn das Kind aus Krankheitsgründen gehindert ist, einen Ausbildungsplatz zu suchen. Allerdings reicht dann eine allgemeine Ausbildungswilligkeit nicht aus. Vielmehr muss das Ende der Erkrankung absehbar und gleichzeitig erkennbar sein, dass der Wille des Kindes darauf gerichtet ist, sich nach dem – absehbaren – Ende der Erkrankung erneut der Ausbildungsplatzsuche zu widmen.
Außerdem muss das Kind seine Ausbildungswilligkeit noch während der Erkrankung für die Zukunft erklären. Aus der im Januar 2017 begonnenen Ausbildungssuche der Tochter oder von einer zu einem späteren Zeitpunkt abgegebenen Erklärung des Kindes bzw. der von der Ärztin für Ende Dezember bescheinigten Absehbarkeit des Endes der Erkrankung kann nicht auf die Ausbildungswilligkeit des Kindes in den vorhergehenden Monaten geschlossen werden.
Ob ein volljähriges Kind aufgrund seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, entscheidet sich nach einem Vergleich des gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits. Nimmt der Sozialleistungsträger den Kindergeldberechtigten auf Zahlung eines Unterhaltsbeitrags für das Kind in Anspruch, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass dieses zum Selbstunterhalt außerstande ist.
Hintergrund
M ist die Mutter ihres volljährigen schwerbehinderten Kindes K (Grad der Behinderung 70, Merkzeichen "G"). K wohnt in einer stationären Einrichtung. Die Kosten hierfür (Lebensunterhalt und fachliche Hilfe) werden von einem Landschaftsverband L im Rahmen der Eingliederungshilfe übernommen. K ist bei der Gemeinde in Vollzeit beschäftigt. Der L beteiligte K an den Kosten für seine Unterbringung und Betreuung in der Einrichtung.
Den Antrag der M auf Festsetzung von Kindergeld für Januar 2016 lehnte die Familienkasse ab. M wandte ein, dass sie ab Januar 2016 vom Sozialleistungsträger L auf Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 28,38 EUR in Anspruch genommen wird. Daraus ergibt sich die Bedürftigkeit des K.
Das Finanzgericht wies die Klage ab. Es entschied, dass die K zur Verfügung stehenden Mittel den Grundbedarf und den behinderungsbedingten Mehrbedarf abdeckten. Die Heranziehung der M zu einem Unterhaltsbeitrag indiziert nicht die Unfähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof wies die Revision zurück und entschied, dass M für K für Januar 2016 kein Kindergeld zustand. K verfügte über ausreichende Mittel, um seinen Grundbedarf und seinem behinderungsbedingten Mehrbedarf zu decken.
Die Fähigkeit zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs des gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits zu ermitteln. Diese Betrachtung ist grundsätzlich monatsbezogen vorzunehmen. Ergibt sich daraus eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Kindes, kann davon ausgegangen werden, dass den Eltern kein zusätzlicher Aufwand erwächst.
Der Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich aus dem Grundbedarf und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen. Der Mehrbedarf umfasst Aufwendungen, die gesunde Kinder nicht haben.
Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge. Sozialleistungen zur Deckung des Grundbedarfs oder Mehrbedarfs sind zu berücksichtigen, soweit das Kind nicht vom Sozialleistungsträger zu einem Kostenbeitrag herangezogen wird. Die Einkünfte sind um den anteiligen Werbungskostenpauschbetrag, die Bezüge um eine monatliche Kostenpauschale von 15 EUR zu kürzen.
Aus der Inanspruchnahme des Kindergeldberechtigten auf Zahlung eines Unterhaltsbeitrags für das volljährige Kind durch den die Eingliederungshilfeleistungen erbringenden Sozialleistungsträger folgt nicht, dass ohne weitere Prüfung anzunehmen ist, dass das Kind zum Selbstunterhalt außerstande ist. Denn die durch den Sozialhilfeträger gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten geltend gemachten Ansprüche beruhen auf den bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten. Für diese gelten anderen Maßstäbe als für den steuerlichen Familienleistungsausgleich. Das Bestehen einer zivilrechtlichen Unterhaltspflicht ist damit kein Tatbestandsmerkmal des Kindergeldanspruchs.
Ob das behinderte Kind über Einkünfte und Bezüge verfügt, die seinen Grundbedarf und individuellen Mehrbedarf decken, lässt sich zutreffend nur ermitteln, wenn der Bedarf und die verfügbaren finanziellen Mittel des Kindes bei der Vergleichsrechnung im Einzelnen betrachtet werden. Dadurch wird die tatsächliche finanzielle Leistungsfähigkeit des Kindes bestimmt. Für den Streitfall ergibt sich nach dem Vergleich, dass die Mittel den Bedarf übersteigen.
Wird im Rahmen des Realsplittings der Antrag auf Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen durch den Geber samt Einreichung der Zustimmungserklärung des Empfängers gestellt, liegt darin bereits das rückwirkende Ereignis, das zur Änderung der Einkommensteuerfestsetzung des Empfängers der Unterhaltsleistung führt.
Hintergrund
Anlässlich der Scheidung im Jahr 2007 hatte sich E verpflichtet, an F einen Abgeltungsbetrag (10.000 EUR) zu zahlen. F wurde im Jahr 2008 bestandskräftig veranlagt. Empfangene Unterhaltsleistungen hatte sie nicht angegeben.
E reichte im Jahr 2010 die Anlage U zur Einkommensteuer-Erklärung ein, die die Zustimmung der F zum Antrag auf Abzug von Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben enthielt. Da zunächst strittig war, ob der Abgeltungsbetrag bei ihm als Sonderausgaben zu berücksichtigen war, erkannte das Finanzamt die Zahlung erst im Jahr 2015 bei E als abziehbare Unterhaltsleistung an.
Anschließend erhöhte das Finanzamt die Einkommensteuer 2015 und berücksichtigte die Zahlung als steuerpflichtige Unterhaltsleistung. F wandte Festsetzungsverjährung ein. Nicht erst die Anerkennung des Sonderausgabenabzugs bei E im Jahr 2015, sondern bereits dessen Antrag, die Unterhaltsleistungen bei E abzuziehen, war das rückwirkende Ereignis. Damit war der Änderungsbescheid außerhalb der Festsetzungsfrist ergangen. Das Finanzgericht folgte dem nicht und wies die Klage ab.
Entscheidung
Die Revision hatte Erfolg. Der Bundesfinanzhof widerspricht dem Finanzgericht. Bereits der Eingang der Anlage U zur Einkommensteuer-Erklärung des E im Jahr 2010 nebst Zustimmungserklärung der F hat steuerliche Rückwirkung für 2007. Der gegenüber F ergangene Änderungsbescheid wurde aufgehoben.
Eine Rückwirkung liegt vor, wenn der geänderte Sachverhalt anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Das entscheidet sich nach dem im Einzelfall anzuwendenden materiellen Steuergesetz. Steuerlich rückwirkend für den Ansatz von Unterhaltsleistungen als sonstige Einkünfte ist die Einreichung der Anlage U nebst Zustimmungserklärung des Empfängers beim Finanzamt des Gebers. Schon der Antrag des Gebers und die Zustimmung des Empfängers sind rechtsgestaltend. Sie überführen die Unterhaltsleistungen in den steuerrechtlich relevanten Bereich und ändern so ihren Rechtscharakter. Die Unterhaltsleistungen werden durch den Antrag zu Sonderausgaben.
Damit hat der Antrag eine Doppelfunktion: Er ist nicht nur Verfahrensvoraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen, sondern gleichzeitig materiell-rechtliche Voraussetzung für die Abzugsmöglichkeit dem Grunde nach. Die Steuerpflicht dieser Leistungen beim Empfänger hängt somit nicht davon ab, ob und inwieweit der Sonderausgabenabzug beim Geber tatsächlich zu einer Steuerminderung geführt hat. Bereits mit der Einreichung der Einkommensteuer-Erklärung des E samt Anlage U und Zustimmung der F im Jahr 2010 ist das Ereignis eingetreten, das zur Steuerbarkeit der Unterhaltsleistungen bei F als Unterhaltsberechtigte führte.
Die 4-jährige reguläre Festsetzungsfrist endete bereits mit Ablauf des Jahres 2012, da F ihre Einkommensteuer-Erklärung im Jahr 2008 abgegeben hatte. Die 4-jährige Festsetzungsfrist begann aufgrund des im Jahr 2010 eingetretenen rückwirkenden Ereignisses mit Ablauf des Jahres 2010 zu laufen und endete damit mit Ablauf des Jahres 2014. Der erst im Jahr 2015 erlassene Änderungsbescheid der F ist infolgedessen außerhalb dieser Festsetzungsfrist ergangen.
Eine Klage eines zusammenveranlagten Ehegatten gegen einen Einkommensteuer-Bescheid ist auch dann zulässig, nachdem der Bescheid gegenüber dem anderen Ehegatten bestandskräftig geworden ist und auch die Steuer bereits gezahlt wurde.
Hintergrund
Der Ehemann M erzielte in den Jahren 2013 bis 2016 neben Einkünften aus selbstständiger Arbeit Einkünfte aus Kapitalvermögen. Seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau F erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit.
Gegen die Einkommensteuer-Bescheide für die Streitjahre legten beide Eheleute Einspruch ein. Nach Zurückweisung der Einsprüche erhob nur M Klage. Er gab an, die Klage wird nur von ihm geführt, da sie nur seine Einkünfte, nicht die Einkünfte der F betrifft.
Das Finanzgericht wies die Klage als unzulässig ab. Es fehlt sowohl die Klagebefugnis als auch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Denn M kann die begehrte Steuererstattung nicht mehr erreichen, da er selbst bei einem Obsiegen im Klageverfahren als Gesamtschuldner die gegenüber F bestandskräftig festgesetzte höhere Steuer mitschuldet.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Die Klagebefugnis und auch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis können für die Klage des M nicht verneint werden.
Eine Anfechtungsklage ist nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Kläger, wie hier M, Adressat eines belastenden Verwaltungsakts ist.
Die Klagebefugnis des M entfällt nicht deshalb, weil die gegenüber F ergangenen Einkommensteuer-Festsetzungen bereits bestandskräftig geworden sind und M für die hieraus resultierende Einkommensteuer gesamtschuldnerisch haftet. Denn trotz der Zusammenveranlagung bleiben die Eheleute verfahrensrechtlich selbstständige Rechtssubjekte. Steuerschuldner und Adressat der Einkommensteuer-Festsetzung ist jeder Ehegatte für sich. Ob eine Verletzung eigener Rechte möglich erscheint, beurteilt sich daher allein nach der gegenüber dem jeweiligen Ehegatten - hier M - festgesetzten Einkommensteuer. Es handelt sich dabei um einen verfahrensrechtlich selbständigen Steuerverwaltungsakt.
Zwar entfällt die Klagebefugnis, wenn eine geänderte Einkünfteaufteilung zwischen den Ehegatten keine steuerrechtliche Auswirkung mehr haben kann, weil ein Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld wegen vollständiger Tilgung der rückständigen Steuer nicht mehr in Betracht kommt. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Klagebefugnis des allein gegen den Einkommensteuer-Bescheid klagenden Ehegatten auch dann fehlt, wenn er eine Verminderung der ihm gegenüber festgesetzten Einkommensteuer begehrt und dies damit begründet, dass seine eigenen Einkünfte zu hoch angesetzt worden seien.
Ein Rechtsschutzbedürfnis liegt bereits dann vor, wenn ein rechtlicher Vorteil in Gestalt eines Steuererstattungsanspruchs nicht von vornherein zu verneinen ist. Das ist hier der Fall. M muss, um die begehrte Einkommensteuer-Erstattung zu erreichen, den Einkommensteuer-Bescheid anfechten. Über die Frage, ob das Finanzamt im Erhebungsverfahren die Auszahlung eines Guthabens an M verweigern könnte, weil einem Erstattungsanspruch ein aus der bestandskräftigen Einkommensteuer-Festsetzung der F resultierender Haftungsanspruch entgegengehalten werden könnte, wäre sodann im Rahmen eines Abrechnungsbescheids zu entscheiden. Das Gleiche gilt für die Frage, ob bei einem Obsiegen des M seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau eine Anpassung des an sie gerichteten, bereits bestandskräftigen Einkommensteuer-Bescheids wegen rückwirkenden Ereignisses verlangen könnte, weil in einem solchen Fall dieser Einkommensteuer-Bescheid ebenfalls nicht als Rechtsgrund für das Behaltendürfen überzahlter Steuern herangezogen werden könnte.
Die obersten Finanzbehörden der Bundesländer gewähren aufgrund der Corona-Pandemie Unternehmern, die Betriebsvermögen ganz oder teilweise erbschaftsteuerfrei geerbt oder im Wege der Schenkung erhalten haben, eine erbschaftsteuerliche Erleichterung. Soweit der Unternehmer für die Erbschaftsteuerfreiheit die sog. Mindestlohnsumme einhalten muss und ihm dies aufgrund der Corona-Krise nicht möglich war, führt dies nicht zum teilweisen oder vollständigen Wegfall der Erbschaftsteuerfreiheit.
Hintergrund
Betriebsvermögen kann nach aktuellem Recht weitgehend erbschaftsteuerfrei vererbt oder verschenkt werden. Voraussetzung ist u. a., dass der Erbe bzw. Beschenkte das Unternehmen fünf Jahre lang fortführt und in den nächsten fünf Jahren die bisherige Lohnsumme durchschnittlich zu 80 % jährlich (d. h. zu 400 % in fünf Jahren) aufwendet; diesen Betrag bezeichnet man als Mindestlohnsumme. Wird die Mindestlohnsumme nicht erreicht, fällt die Steuerbefreiung im Umfang des Unterschreitens der Mindestlohnsumme anteilig weg.
Schreiben der obersten Finanzbehörden der Länder
Die obersten Finanzbehörden der Länder sehen den Wegfall der Steuerbefreiung als unbillig an, wenn das Unterschreiten der Mindestlohnsumme Corona bedingt ist.
Im Einzelnen gelten folgende Voraussetzungen für die Unbilligkeit
Die Unterschreitung der Mindestlohnsumme ist ausschließlich auf die Corona-Krise zurückzuführen. Hierzu müssen die drei folgenden Voraussetzungen vorliegen
Auch ohne Zahlung von Kurzarbeitergeld kann im Einzelfall gleichwohl eine Unbilligkeit des Wegfalls der Steuerbefreiung angenommen werden. Dies ist etwa der Fall, wenn bereits vor der Zahlung von Kurzarbeitergeld einzelne Arbeitsverträge beendet wurden, z. B. in der Gastronomie.
Auch mittelbare Schließungen können im Einzelfall für eine Unbilligkeit sprechen. Dies ist z. B. der Fall, wenn es sich bei dem Betrieb um eine Textilreinigung für Hotelwäsche, ein Beförderungsunternehmen oder um eine Brauerei handelt.
Andere Gründe für die Unterschreitung der Mindestlohnsumme dürfen nicht vorliegen. Betriebsbedingte Kündigungen wären also außerhalb der o. g. Ausnahme grundsätzlich schädlich.
Sind die o. g. Voraussetzungen erfüllt, kommt eine sog. Billigkeitsfestsetzung oder ein Erlass der Erbschaftsteuer in Betracht. Ist die für den Erhalt der Mindestlohnsumme erforderliche durchschnittliche Lohnsumme jedoch schon vor dem Beginn der Corona-Krise unterschritten worden, rechtfertigt dies weder eine Billigkeitsfestsetzung noch einen Erlass.
Steuerfrei bleibt im Erbfall der Erwerb eines Grundstücks durch den überlebenden Ehegatten oder überlebenden Lebenspartner, soweit darin der Erblasser eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und diese beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist.
Ein Finanzgericht hat zu weiteren Einzelfragen dieser Vorschrift wie folgt Stellung bezogen:
„1. Der Auszug des Erblassers aus der bislang eigengenutzten Immobilie unter gleichzeitiger Verlegung des Lebensmittelpunkts in eine andere eigengenutzte Immobilie ist nicht mit dem Umzug in ein Senioren- oder Pflegeheim aus zwingenden gesundheitlichen Gründen gleichzustellen.
2. Die Steuerbefreiung als Familienheim kann nur für ein einziges Objekt in Betracht kommen. Dies gilt sowohl bei gleichzeitiger Eigennutzung mehrerer Immobilien durch den Erblasser zu seinen Lebzeiten als auch im Falle zeitlich aufeinander folgender Eigennutzung verschiedener in seinem Eigentum stehender Immobilien.
3. Die Steuerbefreiungsvorschrift begründet kein Recht des Erben, nach dem Erbfall auszuwählen, welche von mehreren ererbten Immobilien, die vom Erblasser nacheinander zeitweise selbst genutzt worden und aufgrund zwingender Gründe jeweils wieder verlassen worden waren, als Familienheim begünstigt sein soll.“
Nach den gesetzlichen Vorgaben ist die Eigennutzung durch eine Erblasserin bis zu ihrem Tod nur dann entbehrlich, wenn diese aus zwingenden Gründen an der Fortsetzung der Eigennutzung gehindert war. Als zwingender Grund in diesem Sinne gilt beispielsweise der Eintritt der Pflegebedürftigkeit verbunden mit dem Umzug in ein Senioren- oder Pflegeheim.
Quelle:
FG München, Urteil vom 16.6.2021 – 4 K 692/20