in unserem Kanzleibrief Februar 2021 haben wir interessante Themen zu rechtlichen und steuerlichen Sachverhalten ausgewählt, um Sie hierüber zu informieren.
Bitte sprechen Sie uns an, falls Sie zu den einzelnen Themen Fragen haben oder weitere Informationen benötigen.
Viele Grüße
Ihr Team von Schauer Häffner & Partner
Steuerzahlungstermine im März 2021
| Fälligkeit | Zahlungsfrist bei Überweisung |
Lohn- /Kirchensteuer | 10.03. | 15.03. |
Umsatzsteuer | 10.03. | 15.03. |
Einkommensteuer | 10.03. | 15.03. |
Körperschaftsteuer | 10.03. | 15.03. |
Sonstige Termine
25.03. | Übermittlung Beitragsnachweise für März 2021 |
25.03. | Zusammenfassende Meldung Februar 2021 |
29.03. | Fälligkeit (voraussichtliche) Beitragsschuld März 2021 zzgl. restliche Beitragsschuld Februar 2021 |
31.03.. | Meldung 2020 zur Künstlersozialkasse |
Mit Schreiben v. 09.10.2020 hat der BMF zum Umgang mit den stattgefunden habenden Änderungen insbesondere im Zusammenhang mit der St.-Befreiung i.g. Lieferungen und zu den hierdurch erforderlich gewordenen Anpassungen des UStAE Stellung genommen.
Art. 138 MwStSystRL in seiner nunmehrigen Fassung schreibt vor, dass die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (i. V. m. der Erwerbsbesteuerung durch den Leistungsempfänger) seitens des Lieferanten und in dessen Staat streng nur noch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn dieser in seiner ZM die gültige USt-ldNr. seines Abnehmers mit auflistet. Hierdurch hat das Erfordernis der Angabe der USt-ldNr. des Abnehmers als Voraussetzung der Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen materiell-rechtlichen Charakter erlangt. Dies hat es umgekehrt zur Folge, dass die Steuerbefreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen wg. der fehlenden Angabe dieser Nr. ausnahmslos versagt wird; dies ist auch der Inhalt von § 4 Nr. 1 lit. b i. V. m. § 6a UStG in dessen nunmehriger Fassung. Zugleich ist damit die bisherige liberale Rspr. des EuGH zur USt-ldNr. als lediglich formeller Voraussetzung der Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen obsolet.
Die Feststellung, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit einer bestimmten innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind, kann immer erst nachträglich getroffen werden. Dies hat seinen Grund darin, dass die Abgabe einer ZM zu einer innergemeinschaftlicher Lieferung unter zeitlichen Aspekten regelmäßig erst nach der Abgabe zugehörigen USt-Voranmeldung erfolgt, konkret bis zum 25. Tag nach Ablauf desjenigen Meldezeitraums, in dem die innergemeinschaftlicher Lieferung ausgeführt wurde; dies gilt jedenfalls dann, wenn keine Dauerfristverlängerung in Anspruch genommen wird.
Wurde eine Lieferung nicht zutreffend - also nicht richtig, nicht vollständig oder nicht fristgerecht - in der ZM erfasst, kann der Unternehmer diese Meldung berichtigen. Diese Berichtigung ist allerdings nach § 18a Abs. 10 UStG innerhalb eines Monats vorzunehmen, nachdem der leistende Unternehmer festgestellt hat, dass die Meldung unrichtig erfolgt ist.
In einem Streitfall ging es um die Frage, ob Zinseinkünfte des klagenden Darlehensgebers dem gesonderten und regelmäßig günstigen Tarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen (Abgeltungsteuer) unterliegen oder nicht.
Kläger waren die Alleingesellschafterin einer GmbH und deren Ehemann (Kläger), der als alleiniger Geschäftsführer dieser GmbH bestellt war.
Dieser gewährte der GmbH Darlehen wie ein finanzierendes Kreditinstitut, jeweils nur gegen Sicherungsübereignung verschiedener Gegenstände des Anlagevermögens. Die Darlehensverträge hielten einem Fremdvergleich stand.
Der gesonderte Tarif findet nach den gesetzlichen Vorgaben u.a. dann und insoweit keine Anwendung, wenn Gläubiger und Schuldner einander nahestehende Personen sind und die Zinsen beim Schuldner als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zum Abzug kommen.
Das höchste Gericht legt den Begriff des „Nahestehens“ in diesem Zusammenhang sehr eng aus. Erforderlich ist hiernach, dass zwischen dem Darlehensgeber und dem GmbH-Gesellschafter ein Beherrschungsverhältnis besteht. Das Beherrschungsverhältnis müsse so beschaffen sein, dass der beherrschten Person für den Abschluss des Darlehens kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt.
Im Streitfall war diese Beherrschung nicht gegeben. Die Zinsen unterlagen der günstigen Abgeltungsteuer.
Quelle:
BFH-Urteil vom 16.06.2020 – VIII R 5/17 (DStRK 2020 S. 313)
Auch wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ermöglicht, für die Dauer eines ganzen Jahres verbilligt in einem Fitness-Studio zu trainieren, gilt die monatliche 44 EUR-Grenze.
Hintergrund
Die Klägerin schloss mit dem Betreiber verschiedener Fitness-Studios (X-Fitness) eine Vereinbarung, nach der die Klägerin zu einem ermäßigten Preis Lizenzen erwarb, sodass die Arbeitnehmer der Klägerin das Training bei sämtlichen Partnern der X-Fitness absolvieren konnten.
Die Laufzeit des Vertrags betrug zunächst 12 Monate und verlängerte sich bei Nichtkündigung für weitere 12 Monate. Für die von ihr erworbenen 20 Lizenzen zahlte die Klägerin pro Monat jeweils 50,28 EUR einschließlich Umsatzsteuer. Die Arbeitnehmer zahlten monatlich einen Eigenanteil an die Klägerin von 16 EUR bzw. 20 EUR. Sie erhielten eine Teilnahmeberechtigung und einen Mitgliederausweis ausgehändigt.
Die Klägerin ging davon aus, dass wegen des Eigenanteils der Arbeitnehmer die 44 EUR-Freigrenze nicht überschritten und der geldwerter Vorteil nicht zu versteuern ist.
Das Finanzamt vertrat dagegen die Auffassung, dass aufgrund der 1-jährigen Vertragsbindung der Vorteil im Zeitpunkt der Überlassung der Teilnahmeberechtigung i. H. d. Jahressumme (50,28 EUR x 12 = 603 EUR) zugeflossen und damit die Freigrenze überschritten ist. Das Finanzgericht folgte dem nicht, sondern gab der Klage der Klägerin statt.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof schloss sich dem Urteil des Finanzgerichts an und wies die Revision des Finanzamts als unbegründet zurück. Die Klägerin wandte ihren Arbeitnehmern durch die vergünstigten Trainingsbedingungen steuerbare Sachbezüge zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zu. Die Zuwendung bestand in der Einräumung eines verbilligten Rechts seitens der Klägerin zur Nutzung der Anlagen. Die Arbeitnehmer hatten – trotz der schriftlichen Trainingsberechtigung und des Mitgliedsausweises – keinen verbrieften Anspruch gegen X-Fitness. Sie hatten lediglich gegenüber der Klägerin einen fortlaufend zu erfüllenden Anspruch darauf, dass sie die Anlagen verbilligt nutzen konnten. Dieser Vorteil ist den Arbeitnehmern als laufender Arbeitslohn monatlich zugeflossen. Denn für den Zufluss von Arbeitslohn kommt es nicht auf das Innehaben von Ansprüchen an, sondern auf die Erfüllung dieser Ansprüche.
Zuflusszeitpunkt ist der Tag, an dem der Arbeitnehmer durch die Erfüllung seines Anspruchs die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt, also der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die geschuldete Leistung tatsächlich erbringt. Die Klägerin erfüllte ihr Leistungsversprechen nicht bereits mit der Aushändigung der Teilnahmeberechtigung oder des Mitgliedsausweises, sondern erst mit der laufenden Gewährung der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit.
Bei der Gewährung eines vergünstigten Jobtickets dagegen hat der Arbeitgeber in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer den Fahrschein ausgehändigt bekommt, seinen Anspruch auf den verbilligten Erwerb vollständig erfüllt. Damit ist der Arbeitslohn als sonstiger Bezug bereits zugeflossen.
Für die Bewertung des Sachbezugs ist der um übliche Preisnachlässe geminderte übliche Endpreis am Abgabeort, d. h. grundsätzlich der günstigste Einzelhandelspreis am Markt, anzusetzen. Wird die Ware oder Dienstleistung jedoch an Endverbraucher überhaupt nicht vertrieben, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Wert eines Sachbezugs anhand der Kosten bemessen wird, die der Arbeitgeber seinerseits dafür aufgewendet hat.
So liegt der Fall hier. Denn eine identische oder gleichartige Dienstleistung, wie sie die Klägerin ihren Arbeitnehmern verbilligt zugewandt hat, wurde fremden Endverbrauchern am Markt überhaupt nicht angeboten. Die Nutzung der X-Fitness-Anlagen wurde nur gegenüber Unternehmen angeboten, die eine bestimmte Anzahl von Nutzungslizenzen erwarben. Endverbraucher wie die Arbeitnehmer der Klägerin hatten keine Möglichkeit, eine solche Trainingsberechtigung zu erwerben. Die Trainingsberechtigung war nicht mit einer üblichen Mitgliedschaft in einem Fitness-Studio vergleichbar. Da somit eine identische oder vergleichbare Leistung fremden Endverbrauchern am Markt nicht angeboten wurde, ist eine Schätzung des geldwerten Vorteils anhand der Kosten des Arbeitgebers grundsätzlich zulässig. Dementsprechend war aufgrund der monatlichen Kosten der Klägerin pro Lizenz (50,28 EUR) und der Zuzahlungen der Arbeitnehmer (16 EUR bis 20 EUR) die 44-EUR-Grenze nicht überschritten.
Die erste Tätigkeitsstätte eines Postzustellers liegt im Zustellpunkt bzw. Zustellzentrum, dem er zugeordnet ist und an dem er arbeitstäglich vor- und nachbereitende Tätigkeiten (z.B. Sortiertätigkeiten, Abschreibpost, Abrechnungen) ausübt.
Hintergrund
Der Kläger ist als Postzusteller am Zustellpunkt tätig. Die Sendungen kommen morgens aus dem Briefzentrum zum Zustellpunkt und werden von den Zustellern grob auf die Zustellbezirke verteilt. Anschließend steckt jeder Zusteller die von ihm auszutragende Post auf Gangfolge und macht seine Runde. Danach bearbeitet er die sog. Abschreibpost (Post, bei der der Adressat unbekannt, unbekannt verzogen oder verzogen ist) und Abrechnungen (z.B. für Nachnahmen, Nachentgelte oder Zollgebühren). Die Vorarbeiten dauern gut 2 Stunden, die Nacharbeiten etwa 20 bis 30 Minuten.
Für die Jahre 2015 bzw. 2016 machte der Kläger den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei Auswärtstätigkeit mit einer Abwesenheit von mindestens 8 Stunden für 144 bzw. 133 Tage geltend. Er war der Ansicht, dass der Zustellbezirk als weiträumiges Tätigkeitsgebiet und nicht als erste Tätigkeitsstätte anzusehen war. Das Finanzamt erkannte die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen nicht an. Das Finanzgericht wies die Klage ab, da der Zustellpunkt erste Tätigkeitsstätte des Klägers war und er nicht mehr als 8 Stunden außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte tätig wurde.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof folgte mit seiner Entscheidung dem Finanzgerichtsurteil. Erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, kommt es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für die erste Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, nicht mehr an. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören.
Davon ausgehend war der Zustellpunkt als erste Tätigkeitsstätte des Klägers anzusehen. Der Zustellpunkt ist eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Dienstherrn des Klägers. Dieser war dem Zustellpunkt dauerhaft (unbefristet) zugeordnet. Der Kläger ist am Zustellpunkt auch in dem erforderlichen Umfang tätig geworden. Als Zusteller hatte er im Zustellpunkt arbeitstäglich Tätigkeiten auszuführen, die ebenso zum Berufsbild eines Postzustellers gehören wie das Zustellen der Briefe im Zustellbezirk (Übernahme und Sortierung der Sendungen, Vorbereitung des Handwagens und Nacharbeiten nach der Zustellrunde). Diese Tätigkeiten im Zustellpunkt sind Teil der Berufstätigkeit eines Postzustellers.
Jedoch war der Kläger an den geltend gemachten Tagen nicht mehr als 8 Stunden von seiner Wohnung und dem Zustellpunkt als erster Tätigkeitsstätte abwesend, sodass die Voraussetzungen für die Gewährung der Verpflegungspauschbeträge nicht vorlagen. Eine Abwesenheit von mehr als 8 Stunden von der Wohnung reicht nicht aus.
Bonuszinsen aus einem Bausparvertrag gelten erst dann als zugeflossen, wenn der Bausparer unter Auflösung seines Bausparvertrags auf das Bauspardarlehen verzichtet.
Hintergrund
Der Kläger hatte im Jahr 1995 einen Bausparvertrag abgeschlossen. In den allgemeinen Bedingungen war u. a. geregelt, dass der Bausparer einen Bonus erhält, wenn die Voraussetzungen der Zuteilung erfüllt sind und der Bausparer auf ein Bauspardarlehen verzichtet. Dieser Bonus wurde im Zeitpunkt der kompletten Auszahlung des Bausparguthabens fällig und dem Bausparkonto erst in diesem Zeitpunkt gutgeschrieben. Die Bausparkasse ermittelte den Bonus jährlich und hielt ihn auf einem separaten Bonuskonto fest. In seinen Einkommensteuererklärungen 2010 bis 2012 erklärte der Kläger die in den einzelnen Jahren auf seinen Bausparvertrag entfallenen Bonuszinsen. Im Jahr 2013 wurde dem Kläger der Bausparvertrag nebst Bonuszinsen ausbezahlt. In der Einkommensteuererklärung 2013 gab der Kläger lediglich die Bonuszinsen für das Jahr 2013 an. Das Finanzamt war jedoch der Ansicht, dass der gesamte Auszahlungsbetrag i. H. v. 25.725,77 EUR erst im Jahr 2013 zugeflossen war. Der Kläger war dagegen der Meinung, dass die Bonuszinsen dann als zugeflossen gelten, wenn sie von der Bausparkasse auf dem jährlich fortgeführten Bonuskonto gutgeschrieben wurden.
Entscheidung
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts gelten Einnahmen als in dem Jahr bezogen, in dem sie zugeflossen sind. Sie sind grundsätzlich dann zugeflossen, wenn der Empfänger wirtschaftlich über sie verfügen kann oder verfügt hat. Guthabenzinsen eines Bausparvertrags sind dann zugeflossen, wenn sie dem Bausparguthaben zugeschlagen worden sind. Da in den allgemeinen Bedingungen des Bausparvertrags geregelt war, dass die Bonuszinsen erst bei Auszahlung des gesamten Bausparguthabens fällig und dem Bausparkonto gutschrieben werden, gelten die Bonuszinsen auch erst in diesem Zeitpunkt als zugeflossen. Der Zeitpunkt, zu dem die Bonuszinsen auf dem Bonuskonto festgehalten wurden, zählte nicht als Zuflusszeitpunkt. Vielmehr handelte es sich hier um einen buchungstechnischen Vorgang, der die entsprechenden Beträge für den Fall festgehalten hat, dass der Bausparer deren Auszahlung in Anspruch nimmt. Darüber hinaus fehlte dem Kläger nach Auffassung des Gerichts der Anspruch auf die Bonuszinsen für die Zeiträume vor dem Jahr 2013. Einen Anspruch hätte der Kläger dann gehabt, wenn der Bausparvertrag zuteilungsreif war und der Kläger auf das Bauspardarlehen verzichtet hätte. Zwar war die Zuteilungsreife bereits im Jahre 1999 gegeben, da sowohl die Mindestsparzeit von 22 Monaten erreicht wurde als auch das Mindestsparguthaben zu diesem Zeitpunkt eingezahlt war. Jedoch fehlte es an dem definitiven Verzicht des Klägers auf Auszahlung des Bauspardarlehens. Dieser erfolgte erst im Jahr 2013 mit der Auflösung des Bausparvertrags.
Leistungen aus einem Stipendium können steuerbare wiederkehrende Bezüge darstellen. Das ist der Fall, wenn die Leistungen aus dem Stipendium an eine entsprechende Weiterbildungsverpflichtung anknüpfen und eine fehlende Entlohnung ausgleichen.
Hintergrund
Die Klägerin hatte ein Medizinstudium in Libyen abgeschlossen und war im Jahr 2014 wie eine Assistenzärztin an einer deutschen Klinik als sog. Gastärztin zur Facharztweiterbildung tätig. Die Klinik zahlte ihr kein Entgelt. Von der Libyschen Botschaft erhielt sie ein monatliches Stipendium. Nach Beendigung ihrer Studienzeit wollte die Klägerin nach Libyen zurückkehren.
Das Finanzamt besteuerte das Stipendium als sonstige Einkünfte. Das Finanzgericht gab der Klage statt und entschied, dass es sich bei den Zahlungen aus dem Stipendium um freiwillig begründete Unterhaltszahlungen des libyschen Staates handelte.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof entschied, dass steuerbare Bezüge vorliegen, wenn die Stipendiumsleistungen die fehlende Entlohnung seitens der Klinik ausgleichen sollten.
Obwohl die Klägerin wie eine Assistenzärztin in der Klinik arbeitete, war sie nicht als Arbeitnehmerin einzuordnen. Denn die Zahlungen der Botschaft stellten kein Entgelt "für" eine Leistung der Klägerin gegenüber der Klinik und somit keinen Arbeitslohn von dritter Seite dar. Das Stipendium wurde in erster Linie aus eigenwirtschaftlichem Interesse des Staates Libyen (Stärkung des dortigen Gesundheitssystems) und nicht im Interesse der Klinik (Entlastung des Klinikbetriebs) gewährt.
Der Bundesfinanzhof hat sich in mehreren Urteilen ausdrücklich für die Steuerbarkeit ausgesprochen und vertritt auch im vorliegenden Fall grundsätzlich die Steuerpflicht. Zum einen dienen Stipendien regelmäßig dazu, den Empfänger bei einem Forschung- oder Ausbildungsvorhaben zu unterstützen. Das steigert die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Stipendiaten. Zum anderen ist er der Ansicht, dass für die Ausnahme von der Steuerbarkeit erforderlich ist, dass der Empfänger für die ihm gewährten Leistungen keine Gegenleistung zu erbringen hat.
Der Bundesfinanzhof weist darauf hin, dass die Facharztweiterbildung in Deutschland im Rahmen einer vergüteten ärztlichen Berufstätigkeit erfolgt. Die Stipendienleistungen an die Klägerin waren an die Erfüllung dieser im Rahmen der Fortbildung zu erbringenden Dienstleistung in der Klinik gebunden und sollten die fehlende Entlohnung seitens der Klinik ausgleichen. Damit stellt sich das Stipendium aus Sicht des Stipendiaten als Gegenleistung für seine im Rahmen der Fortbildung erbrachte Berufstätigkeit dar. Die Gegenleistung kann anstatt dem Stipendiengeber auch einem Dritten (hier der Klinik) gegenüber erbracht werden. Ein kausales Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung genügt.
Hiervon ausgehend verwies der Bundesfinanzhof die Sache an das Finanzgericht zurück. Das Finanzgericht hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, in welchem rechtlichen Verhältnis die Klägerin zu der Klinik stand. Sollte sich ergeben, dass die Klägerin für das Stipendium eine kausale Gegenleistung erbracht hat und damit die Steuerbarkeit gegeben wäre, hätte das Finanzgericht die Frage der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. Nr. 44 EStG (Stipendien aus öffentlichen Mitteln oder von zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen) zu prüfen.
Ein Leistungsempfänger, der irrtümlich als Steuerschuldner im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahren behandelt wird, kann nach erfolgter Rechnungsberichtigung mit Umsatzsteuerausweis rückwirkend den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen. Das soll nach Ansicht der Rechtsprechung entgegen der Verwaltungsauffassung gelten, obwohl in der ursprünglichen Rechnung kein Umsatzsteuerausweis erfolgte.
Hintergrund
Im Fall 11 K 324/19 bezog die klagende S.A. mit Sitz in Luxemburg Leistungen von Unternehmern mit Sitz in Deutschland. Übereinstimmend gingen die Beteiligten davon aus, dass die Leistungen am Sitz der S.A. der luxemburgischen Umsatzbesteuerung unterliegen und die S.A. Steuerschuldner nach § 13b UStG sei. Die Leistenden fakturierten ihre Leistungen mit 0 % Steuer oder ohne Steuerausweis mit Hinweis auf das Reverse-Charge-Verfahren.
Im Fall 11 K 323/19 bezog der klagende Unternehmer mit Sitz in Deutschland Transportleistungen von einer S.A. mit Sitz in Luxemburg. Übereinstimmend gingen die Beteiligten davon aus, dass die Leistungen am Sitz des deutschen Leistungsempfängers der deutschen Umsatzsteuer unterliegen und der deutsche Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b UStG sei. Die S.A. fakturierte ihre Leistungen ohne Steuerausweis mit Hinweis auf die Steuerschuld des deutschen Leistungsempfängers.
Tatsächlich befand sich in beiden Fällen die Geschäftsleitung der S.A. und damit ihr umsatzsteuerlicher Sitz in Deutschland (vgl. § 10 AO). Die Leistungen unterfallen daher in beiden Fällen der deutschen Umsatzbesteuerung. Steuerschuldner sind die jeweils Leistenden. Die Leistenden erteilten deshalb neue Rechnungen mit deutschem Steuerausweis. Die klagenden Leistungsempfänger begehren die rückwirkende Berücksichtigung der Vorsteuern – was nach Verwaltungsauffassung nicht zulässig sei (vgl. BMF, Schreiben v. 18.9.2020, II C 2 - S 7286-a/19/10001 :001, Rz. 23)
Entscheidung
Nach Auffassung des FG ist trotz fehlendem Umsatzsteuerausweis in der ursprünglichen Rechnung eine rückwirkende Rechnungsberichtigung mit Umsatzsteuerausweis im Jahr 2016 und ein rückwirkender Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger auf 2012 möglich. Nach § 13b Abs. 5 UStG schuldet bei Werklieferungen und bestimmten sonstigen Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmer der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer (sog. Reverse-Charge-Verfahren). Da sich in beiden Fällen die Geschäftsleitung der S.A. bzw. ihr umsatzsteuerlicher Sitz tatsächlich in Deutschland befand, unterliegen die Leistungen in beiden Fällen der deutschen Umsatzbesteuerung. Steuerschuldner sind die jeweils Leistenden. Auch nach Auffassung des FG setzt der Vorsteuerabzug grundsätzlich eine ordnungsgemäße Rechnung voraus. Der BFH verlangt als Grundlage für eine mit Rückwirkung berichtigungsfähige Rechnung, dass die Erstrechnung Mindestangaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält. Hierfür reicht es jeweils aus, dass die Rechnung diesbezügliche Angaben enthält und die Angaben nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sind, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen (BFH, Urteil v. 20.10.2016, V R 26/16; BMF, Schreiben v. 18.9.2020, III C 2 - S 7286-a/191001:001).
Unterlässt der Rechnungsempfänger es, die Erstrechnung insoweit sorgfältig zu prüfen, kann die Rückwirkung beim Vorsteuerabzug versagt werden.
Fehlt eine der 5 o. g. Mindestvoraussetzungen, ist davon auszugehen, dass es sich schon nicht um ein Rechnungsdokument handelt. Dementsprechend kann dieses auch nicht mit Rückwirkung berichtigt werden. Die "Berichtigung" führt in den Fällen der fehlenden Mindestvoraussetzungen vielmehr zu einem erstmaligen Ausstellen einer (ordnungsgemäßen) Rechnung.
Entgegen der Verwaltungsauffassung entfallen jedoch die o. g. Mindestanforderungen des Umsatzsteuerausweises in der Erstrechnung, wenn die Beteiligten – wie hier – irrig die Steuerschuld des Leistungsempfängers nach § 13b UStG annehmen.
Schließlich verbietet § 13b UStG einen Steuerausweis und verlangt stattdessen einen Verweis auf die Steuerschuld des Leistungsempfängers. Würde im Falle des § 13b UStG entgegen dem Verbot des § 13b UStG Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen, würde der Rechnungsaussteller diese nach § 14c UStG schulden.
Wer viele Gegenstände über einen längeren Zeitraum im Internet verkauft, muss damit rechnen, dass das Finanzamt die Verkäufe besteuern will. Allein die Veräußerung über eine Internetplattform führt jedoch nicht bereits zur Gewerblichkeit, hat nun der Bundesfinanzhof zugunsten der Verkäufer entschieden.
Hintergrund
X unterhielt in den Jahren 2010 – 2012 einen gewerblichen Internet-Shop, den X-Service. Über diesen Shop veräußerte er Modelleisenbahnen und Zubehörartikel. Daneben hatte er über die Internetplattform eBay weitere Umsätze getätigt, die er nicht erklärt hatte. Es handelte sich dabei um ca. 1.500 Verkäufe von Eisenbahn-Modellen.
Das Finanzamt ging davon aus, dass die Verkäufe über eBay in unmittelbarem Zusammenhang mit dem X-Service standen und erließ entsprechende Einkommensteuer- und Gewerbesteuer-Messbescheide.
X argumentierte dagegen, dass die eBay-Verkäufe aus einer seit 1997 privat aufgebauten Sammlung stammten, die ursprünglich nicht zum Verkauf bestimmt gewesen war. Er musste die Sammlung jedoch verkaufen, um den im Jahr 2010 eröffneten gewerblichen X-Service zu finanzieren. Der X-Service und die eBay-Verkäufe waren aufgrund der Modellunterschiede und der Lagerung in verschiedenen Gebäuden voneinander getrennt.
Das Finanzgericht wies die Klage ab und entschied, dass auch die Verkäufe über eBay dem Gewerbebetrieb zuzuordnen sind. Die Auflösung einer privat angelegten Sammlung durch eine Vielzahl von Verkäufen war gewerblich.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Das Finanzgericht unterstellte, dass X über eBay lediglich seine Privatsammlung veräußert hat, und bejahte trotzdem die Gewerblichkeit. Dies stellt einen Rechtsfehler dar, der zur Aufhebung und Zurückverweisung führt.
Wurden die über eBay verkauften Modelle für den Gewerbebetrieb angeschafft (X-Service), sind die daraus erzielten Einnahmen den gewerblichen Einkünften zuzurechnen. Hatte X dagegen – wie von ihm behauptet – die Modelle für eine privat aufgebaute Sammlung angeschafft, könnten sie gleichwohl später wegen Vermischung oder Branchenüblichkeit dem Gewerbebetrieb (X-Service) zugerechnet werden.
Wenn die Modelle zu keiner Zeit dem Betriebsvermögen des X-Service zuzuordnen waren, stellt sich die Frage, ob die eBay-Verkaufstätigkeit für sich isoliert als gewerblich anzusehen ist. Nur wenn dies bejaht wird, wären die privat erworbenen Modelle mit Aufnahme der Verkaufsaktivitäten in das Betriebsvermögen eingelegt worden. Wird dies jedoch verneint, wäre die isolierte eBay-Verkaufstätigkeit ertragsteuerlich irrelevant.
Das Finanzgericht hat im zweiten Rechtsgang festzustellen, ob X die verkauften Modelle bereits ursprünglich für seinen Gewerbebetrieb oder aber für die private Sammlung erworben hat.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass branchenübliche Geschäfte regelmäßig im betrieblichen Bereich abgewickelt und dem Gewerbebetrieb zuzurechnen sind. Eine Aussonderung privater Geschäftsvorfälle ist nur möglich, wenn anhand objektiver Umstände dargelegt wird, dass die entsprechenden Wirtschaftsgüter eindeutig vom betrieblichen Bereich getrennt wurden und die Geschäftsvorfälle privat veranlasst sind. Andernfalls sind die Wirtschaftsgüter notwendiges Betriebsvermögen.
Für die Frage, ob die eBay-Tätigkeit als solche über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinausgeht, ist in Zweifelsfällen auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. Danach gehört zum Handel als typische gewerbliche Tätigkeit die Anschaffung zur Weiterveräußerung.
Davon ausgehend fehlt es an dem für einen Händler typischen Ankauf von Objekten in Wiederveräußerungsabsicht, wenn H die Modelle für den Aufbau einer privaten Sammlung angeschafft hat. Allein aus der Verkaufstätigkeit über eBay ergibt sich nicht die Vergleichbarkeit mit der Tätigkeit eines Händlers. Das gilt auch dann, wenn über einen längeren Zeitraum zahlreiche Verkaufsgeschäfte abgewickelt wurden.
Leistet der GmbH-Geschäftsführers nach Eintritt der Insolvenzreife der GmbH trotzdem Zahlungen, kann er auf Ersatz des dadurch entstandenen Schadens in Anspruch genommen werden. In der Regel muss dafür die D&O-Versicherung aufkommen, entschied der Bundesgerichtshof. Damit ist eine bislang höchst umstrittene Rechtsfrage geklärt.
Hintergrund
Der Geschäftsführer einer GmbH hatte trotz Insolvenzreife verschiedene Zahlungen geleistet. Der Insolvenzverwalter der GmbH verlangte Ersatz dieser Schäden nach § 64 S. 1 GmbHG. Zugunsten des Geschäftsführers war bereits mehrere Jahre vor der Insolvenz eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Unternehmensleiter von Gesellschaften mit beschränkter Haftung ("D&O-Versicherung") abgeschlossen worden. Der Geschäftsführer trat seine Ansprüche gegen die Versicherung an die GmbH ab. Die Versicherung war der Ansicht, dass die D&O-Versicherung für Ersatzansprüche nach § 64 S. 1 GmbHG nicht einstandspflichtig ist. Der Insolvenzverwalter sah dies anders.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof entschied, dass Ansprüche der GmbH gegen den Geschäftsführer auf Ersatz von Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife grundsätzlich von einer D zu ersetzen sind. Grundlage hierfür sind die "Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten" (ULLA).
Leistet ein Geschäftsführer einer GmbH nach Eintritt der Insolvenzreife, d.h. nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der GmbH, Zahlungen, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind, ist er gegenüber der GmbH nach § 64 S. 1 GmbHG zum Ersatz dieser Zahlungen verpflichtet. Die Ersatzpflicht besteht unabhängig davon, ob bei der GmbH durch die Zahlung ein Schaden entstanden ist.
Gerade für die betragsmäßig häufig bedeutsame Haftung des Geschäftsführers nach § 64 S. 1 GmbHG bestand in den vergangenen Jahren die Unsicherheit, ob bzw. in welchen Fällen die D&O-Versicherung ersatzpflichtig ist. Es ergingen einige Urteile von Oberlandesgerichten, die eine solche Ersatzpflicht ablehnten. Begründet wurde dies häufig damit, dass die Versicherungsbedingungen nur die Einstandspflicht für "Schadensersatzansprüche" vorsehen, der Anspruch nach § 64 S. 1 GmbHG aber ein "schadensunabhängiger Ersatzanspruch eigener Art" zugunsten der Insolvenzgläubiger ist.
Der Bundesgerichtshof hat dieser Rechtsprechung nun eine Absage erteilt. Seines Erachtens konnten die relevanten Versicherungsbedingungen aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers nur so ausgelegt werden, dass versicherte "Schadensersatzansprüche" weit zu verstehen ist und deswegen auch Ersatzansprüche eigener Art wie den aus § 64 S. 1 GmbHG umfasst. Die Einbeziehung von Ansprüchen nach § 64 S. 1 GmbHG entsprach auch dem Zweck des Abschlusses einer D&O-Versicherung.
Die Begünstigung einer Einmalzahlung durch die Fünftelregelung setzt voraus, dass die Zahlung für den betreffenden Lebens-, Wirtschafts- und Regelungsbereich atypisch ist. Ob dies auch für Einmalzahlungen aus vorzeitig gekündigten Direktversicherungen gilt, war Gegenstand eines Verfahrens beim Bundesfinanzhof.
Hintergrund
X erzielte im Jahr 2016 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und erhielt außerdem von einer Pensionskasse eine Einmalzahlung in Höhe von rund 26.000 EUR. Diese besteuerte das Finanzamt in vollem Umfang als sonstige Einkünfte.
Der Einmalzahlung lagen 2 Rentenversicherungsverträge (Direktversicherungen) zugrunde, die die früheren Arbeitgeber als Versicherungsnehmer für X abgeschlossen hatten und die durch Entgeltumwandlung finanziert wurden. Die Beiträge wurden nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei gestellt. Die Auszahlung der Altersrenten zugunsten des versicherten Klägers sollte im Jahr 2032 beginnen.
Im Jahr 2015 wurden die Verträge zunächst beitragsfrei gestellt, später auf Wunsch des X gekündigt und mit Wirkung zum 1.1.2016 aufgelöst und ausgezahlt. Das Finanzamt lehnte die Anwendung der Fünftelregelung ab.
Das Finanzgericht gab der Klage statt. Denn die Auszahlung war seiner Ansicht nach atypisch, da wegen Unverfallbarkeit eine Kündigung eigentlich ausgeschlossen gewesen war. Außerdem entsprach die Auszahlung vor dem Erreichen der Altersgrenze nicht dem typischen Ablauf von Altersvorsorge-Verträgen.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Der ermäßigte Steuersatz der Fünftelregelung erfordert – neben den "Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten" – zur Einschränkung des eher zu weit gefassten Wortlauts zusätzlich die "Außerordentlichkeit" der Einkünfte. Dabei ist das Kriterium der Atypik als entscheidend anzusehen. Die Begünstigung einer Einmalzahlung setzt danach voraus, dass die Zahlung für den betreffenden Lebens-, Wirtschafts- und Regelungsbereich atypisch ist. Ob darüber hinaus in dem Vertrag die Möglichkeit einer Kapitalabfindung bereits von Anfang an vorgesehen war oder nicht, stellt sich lediglich als ein Indiz dafür dar, ob eine Kapitalabfindung im betreffenden Lebens- oder Wirtschaftsbereich typisch oder atypisch ist.
Dass nach den Vertragsbedingungen eine Kündigung nicht möglich war, führt für sich allein nicht zur Außerordentlichkeit. Im vorliegenden Fall lag in der Akzeptanz der Kündigung ein Aufhebungsvertrag. Ein solcher konnte zwischen der Versicherungsgesellschaft und dem Versicherungsnehmer (Arbeitgeber) im Einverständnis der versicherten Person (X) auch ohne ausdrückliche Regelung in den Versicherungsverträgen geschlossen werden. Die Kündigung bzw. Aufhebung nach eingetretener Unverfallbarkeit der Anwartschaft widersprach auch nicht dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG). Die bereits unverfallbare Versorgungsanwartschaft des X wurde einvernehmlich durch die Auszahlung des Rückkaufswertes abgefunden.
Die Frage der Atypik ist im Rahmen der betrieblich und steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge auf der Grundlage empirisch-statistischer Daten wertend zu beantworten. Für die wertende Beurteilung der Einmalzahlung ist auf sämtliche Versicherungsverträge abzustellen, die zu versteuernden Leistungen aus Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen führen und die während der Geltung der im Streitjahr maßgebenden Rechtslage durch eine einmalige Kapitalabfindung bei Rentenbeginn oder vorzeitig durch Kündigung bzw. durch sonstige Vertragsauflösung mit der Folge einer Auszahlung des Rückkaufswertes beendet worden sind. Nicht einzubeziehen sind Altersvorsorgeverträge.
Der Arbeitgeber bleibt an Versorgungszusage gebunden. Auch die Änderung von bilanzrechtlichen Bestimmungen rechtfertigt nicht die Anpassung von Versorgungsregelungen, denn eine Störung der Geschäftsgrundlage liegt in diesem Fall nicht vor.
Hintergrund
Eine 87-jährige Witwe verlangte vom ehemaligen Arbeitgeber ihres verstorbenen Ehemannes die Zahlung einer entsprechend der Tarifgehaltserhöhungen angepassten Betriebsrente. Über Jahre hatte sie eine Witwenrente bezogen, die der Arbeitgeber - wie schon zuvor die Betriebsrente des verstorbenen Ehemannes - regelmäßig gemäß der Versorgungszusage an die Gehaltsentwicklung angepasst hatte.
Diese Versorgungszusage, die auch eine Hinterbliebenenversorgung umfasst, wurde dem Ehemann 1976 erteilt und enthält eine Anpassungsregelung. Danach ändern sich die Versorgungsbezüge ebenso wie die Entwicklung der höchsten Tarifgruppe für kaufmännische Angestellte der pfälzischen Eisen- und Metallindustrie.
Im Jahr 2016 erklärte der Arbeitgeber, diese tariflichen Anpassungen nicht mehr länger vorzunehmen, sondern nur Erhöhungen nach § 16 BetrAVG. Dabei stützte er sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB. Als Grund nannte er, dass sich die Rückstellungen für Betriebsrenten in der Handelsbilanz - auch für die der Witwe - nach Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes 2010 (BilMoG) aufgrund gestiegener Barwerte, für ihn erheblich erhöht hätten. Ab Juli 2016 gab der Arbeitgeber dementsprechend Tariferhöhungen nicht mehr weiter.
Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht gab der Witwe Recht und entschied, dass keine Störung der Geschäftsgrundlage vorlag. Zwar ist es grundsätzlich möglich, die Anpassung von Versorgungsregelungen auf die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB zu stützen. Die Argumentation des Arbeitgebers konnte jedoch im vorliegenden Fall die obersten Richter nicht überzeugen.
Geschäftsgrundlage sind die gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien bei Vertragsschluss über gewisse vorhandene oder künftige Umstände, die aber nicht Vertragsinhalt werden. Es kann auch die Vorstellung von nur einer Partei ausreichen, wenn sie für die andere Partei erkennbar war und nicht von ihr beanstandet wurde.
Vorliegend berief sich der Arbeitgeber aber gar nicht auf solche Vorstellungen, sondern stützte die vermeintliche Verteuerung der Witwenrente auf Umstände, die unverändert Inhalt der Versorgungszusage sind.
Der Anstieg der bilanziellen Rückstellungen aufgrund der angeblich wegen der Änderung des Bilanzrechts gestiegenen Barwerte, erfüllt aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts nicht die Voraussetzungen einer Störung der Geschäftsgrundlage. Rückstellungen haben zwar Auswirkungen auf den bilanziellen Gewinn bzw. Verlust eines Unternehmens. Allerdings berechtigt ein schlechterer wirtschaftlicher Verlauf des Geschäftsjahres den Arbeitgeber nicht zum Widerruf von laufenden Betriebsrenten und somit auch nicht zur Änderung einer Anpassungsregelung. Denn nicht einmal eine wirtschaftliche Notlage kann nach den gesetzlichen Wertungen des Betriebsrentengesetzes einen Widerruf von Versorgungszusagen begründen. In so einem Fall eine Störung der Geschäftsgrundlage anzunehmen, widerspräche der gesetzlichen Risikoverteilung.
Ein Mieter hat nicht nur das Recht, die Rechnungen im Zusammenhang mit der Betriebskostenabrechnung einzusehen, sondern auch die dazu gehörigen Zahlungsbelege. Der Mieter muss für das Einsichtsrecht kein besonderes Interesse darlegen.
Hintergrund
Die Vermieterin einer Wohnung verlangt vom Mieter die Nachzahlung einer Betriebskostenabrechnung i. H. v. 1.262 EUR. Der Mieter hatte in die der Abrechnung zugrundeliegenden Rechnungsbelege Einsicht genommen. Eine darüberhinausgehende Einsichtnahme in die entsprechenden Zahlungsbelege lehnte die Vermieterin jedoch ab. Daraufhin verweigerte der Mieter die Leistung der Nachzahlung.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof entschied zugunsten des Mieters, dass dieser die Nachzahlung derzeit nicht leisten muss, weil die Vermieterin die verlangte Einsicht in die Zahlungsbelege nicht gewährt hatte.
Zur Begründung führt das Gericht weiter aus: Einem Mieter steht gegenüber dem auf eine Betriebskostenabrechnung gestützten Zahlungsverlangen des Vermieters ein zeitweises Leistungsverweigerungsrecht zu, und zwar solange, bis ihm eine berechtigterweise begehrte Belegeinsicht gewährt wurde.
Zu den Abrechnungsunterlagen, auf die sich das Einsichtsrecht des Mieters bezieht, gehören neben den Rechnungen auch die dazugehörigen Zahlungsbelege über die in der Abrechnung auf die Mieter umgelegten Betriebskosten. Mit Hilfe dieser Belege wird der Mieter in die Lage versetzt, die Berechtigung der jeweils in Rechnung gestellten Beträge zu überprüfen. Der Mieter muss für das Einsichtsrecht kein besonderes Interesse darlegen. Es genügt sein allgemeines Interesse, die Tätigkeit des abrechnungspflichtigen Vermieters zu kontrollieren.
Auch wenn der Steuerpflichtige bei der Verprobung des Wareneinsatzes unzureichend mitgewirkt hat, darf das Finanzamt keine Schätzung vornehmen, wenn die Buchführung ordnungsgemäß ist.
Hintergrund
Der Kläger war Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, die vor allem im Handel mit Textilien tätig war. Das Finanzamt führte für die Jahre 2007 bis 2009 eine Betriebsprüfung bei der GmbH durch. Im Betriebsprüfungsbericht wurden keine Buchführungsmängel benannt. Da die Gesellschaft bzw. deren gesetzliche Vertreter jedoch keine Angaben zur Verprobung des Wareneinsatzes, Aufzeichnungen und Unterlagen zu Fehleinkäufen sowie Erläuterungen zu Musterkollektionen oder Warenrücksendungen wegen Qualitätsmängeln gemacht hatte, kam es aufgrund dieser Feststellungen zu einer Hinzuschätzung beim Umsatz und Wareneinsatz der GmbH. Ferner wurde eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe der Musterteile angenommen, da deren betriebliche Veranlassung nicht nachgewiesen wurde. Gleiches erfolgte aufgrund von Reisekosten. In seiner Klage machte der Kläger geltend, dass die Buchführung der GmbH ordnungsgemäß gewesen war. Der Finanzverwaltung waren auch alle Buchführungsunterlagen zur Verfügung gestellt worden.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Die Hinzuschätzung war nach Ansicht des Finanzgerichts nicht rechtmäßig. Nach § 162 AO darf eine Schätzung erfolgen, wenn Bücher und Aufzeichnungen, die zu führen sind, nicht vorgelegt werden können oder diese der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden können. Eine Buchführung, die den gesetzlichen Vorlagen entspricht, kann regelmäßig der Besteuerung zugrunde gelegt werden, es sei denn, es besteht ein Anlass, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln. Eine formell ordnungsgemäße Buchführung hat dabei die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich. Nur wesentliche Mängel sprechen gegen eine formell richtige Buchführung. Eine fehlerhafte Erfassung von Einnahmen hat die Finanzverwaltung indes nicht festgestellt. Insoweit bestand deshalb keine Schätzungsbefugnis.
Auch die Verprobung des Wareneinsatzes als relativ grobe Prüfungsmethode begründet keine Schätzungsbefugnis. Die Richtigkeitsvermutung einer formell ordnungsgemäßen Buchführung ist nämlich nur entkräftet, wenn das Finanzamt nachweist, dass das Ergebnis nicht zutreffend sein kann. Die Ausführungen der Finanzverwaltung im Prüfungsbericht reichen hierfür nicht aus.
Ist ein Versehen eines Steuerpflichtigen klar aus den Steuerakten des Finanzamts erkennbar, veranlagt das Finanzamt aber trotzdem so, wie der Steuerpflichtige es fälschlicherweise beantragt hat, kann der entsprechende Steuerbescheid wegen einer offenbaren Unrichtigkeit geändert werden.
Hintergrund
Die Klägerin war Eigentümerin von vermieteten Mehrfamilienhäusern. Für das Jahr 2016 reichte sie die Einkommensteuererklärung inklusive 2 Anlagen V und weiteren Erläuterungen für diese Mehrfamilienhäuser "F-Straße 29 und 31" elektronisch beim Finanzamt ein. Bis einschließlich 2015 hatte sie jeweils eine Wohnung in diesen Objekten unentgeltlich jeweils an eine Tochter überlassen und die AfA entsprechend gekürzt. Für das Jahr 2016 erklärte sie in den Anlagen V, dass sie diese Wohnungen an Angehörige vollentgeltlich vermietet hatte. Trotzdem kürzte sie aufgrund Datenübernahme aus dem Vorjahr wiederum die AfA.
Nachdem das Finanzamt die Einkommensteuerveranlagung 2016 erklärungsgemäß durchgeführt hatte, beantragte die Klägerin die Berichtigung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides 2016 wegen einer offenbaren Unrichtigkeit. Das Finanzamt lehnte die Berichtigung ab. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass der Einkommensteuerbescheid 2016 nach § 129 AO zu berichtigen ist, weil eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit vorliegt.
Die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO setzt grundsätzlich voraus, dass die offenbare Unrichtigkeit in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist. Allerdings ist die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt. Im Fall eines derartigen Übernahmefehlers kommt eine Berichtigung jedoch nur in Betracht, wenn die Fehlerhaftigkeit für das Finanzamt als offenbare Unrichtigkeit erkennbar war.
Vorliegend hat das Finanzamt die offenbar fehlerhaften Angaben der Klägerin bezüglich der Kürzung der AfA als eigene übernommen. Die Fehlerhaftigkeit der Angaben war für das Finanzamt auch als offenbare Unrichtigkeit erkennbar. Denn nach Aktenlage war aus dem Vergleich der Anlagen V aus dem Jahr 2015 mit dem Jahr 2016 unzweifelhaft ersichtlich, dass die bis zum Jahr 2015 erfolgte Kürzung der AfA allein auf der unentgeltlichen Überlassung der Wohnungen an die Töchter beruhte. Für das Jahr 2016 war für das Finanzamt zudem eindeutig erkennbar, dass die bisher unentgeltlich überlassenen Wohnungen nunmehr entgeltlich an die Töchter überlassen worden waren.
Für die zeitliche Anwendbarkeit der WertV und der ImmoWertV ist entscheidend, ob sie am Bewertungsstichtag in Kraft waren. Der Zeitpunkt der Gutachtenerstellung spielt für die Anwendung der Verordnungen insoweit keine Rolle.
Hintergrund
X erbte im Jahr 2009 einen Anteil an einem Hausgrundstück. Der standardisierte Grundbesitzwert betrug
4.8 Mio. EUR. X versuchte, mit einem nach der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) erstellten Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen. Streitig war insbesondere, wie die untypisch geringe gewerbliche Nutzung zu berücksichtigen war. Der Gutachter hatte dafür den Wert einer anderen Bodenrichtwertzone, in der sich vergleichbar genutzte Grundstücke befinden, übernommen.
Das Finanzgericht wies die Klage ab, da das Gutachten der ImmoWertV widersprach. Die Ableitung des Bodenwerts aus dem Richtwert einer anderen Bodenrichtwertzone sowie die Herleitung des Liegenschaftszinssatzes waren für das Gericht nicht plausibel.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Klage an das Finanzgericht zurück. Für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens sind die Grundbesitzwerte nach §§ 176 bis 198 BewG zu ermitteln. Beim Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts am Bewertungsstichtag ist dieser Wert anzusetzen. Der Steuerpflichtige trägt insoweit die Nachweislast.
Zur Ordnungsmäßigkeit des Gutachtens gehören sowohl die methodische Qualität als auch die zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen. Die Anforderungen an die methodische Qualität ergeben sich im Wesentlichen aus den §§ 194 ff. BauGB. Daneben sind die WertV i. V. m. den Wertermittlungsrichtlinien und die ImmoWertV, die die WertV ab dem 1.7.2010 abgelöst hat, zu beachten. Die zeitliche Anwendbarkeit richtet sich danach, ob die Regelungen am Bewertungsstichtag in Kraft waren. Die WertV war bis zum 30.6.2010 in Kraft und wurde am 1.7.2010 durch die ImmoWertV abgelöst. Deshalb sind für Bewertungsstichtage bis 30.6.2010 die Vorschriften der WertV und für Bewertungsstichtage ab 1.7.2010 die Vorschriften der ImmoWertV anwendbar. Der Zeitpunkt der Gutachtenerstellung ist für die zeitliche Anwendung der WertV und der ImmoWertV nicht von Bedeutung.
Das Finanzgericht hatte jedoch wegen der Erstellung des Gutachtens im Jahr 2017 auf den Bewertungsstichtag 1.6.2009 die ImmoWertV anstatt der WertV angewandt.
Für Steuernachzahlungen besteht während der Corona-Pandemie Vollstreckungsschutz. Das gilt auch für Steuerrückstände aus der Zeit vor der Pandemie. Die Rückstände brauchen also nicht die Folge der Pandemiebetroffenheit zu sein.
Hintergrund
Der Antragsteller betreibt einen Imbiss. Aufgrund einer Außenprüfung erließ das Finanzamt im Dezember 2019 geänderte Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für die Vorjahre mit erheblichen Steuernachzahlungen. Im März 2020 kündigte das Finanzamt die Vollstreckung an und ergriff in der Folge diverse Vollstreckungsmaßnahmen. Den Antrag v. 27.6.2020 auf Vollstreckungsaufschub lehnte das Finanzamt ab. Das BMF-Schreiben v. 19.3.2020, mit dem der Vollstreckungsaufschub geregelt wird, gilt nach Ansicht des Finanzamts nicht für Rückstände aus der Zeit vor dessen Verkündung. Mit seinem Antrag auf Erlass einer einsteiligen Anordnung begehrte der Antragsteller weiterhin Vollstreckungsaufschub. Er ist der Auffassung, dass das BMF-Schreiben v. 19.3.2020 auch für Rückstände aus der Zeit vor der Pandemie gilt.
Entscheidung
Der Antrag hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass zwar ein Anordnungsgrund vorliegt, es an einem Anordnungsanspruch fehlte. Der Anwendungsbereich des BMF-Schreibens ist grundsätzlich eröffnet, denn der Antragsteller war unmittelbar und nicht unerheblich durch das Coronavirus betroffen. Entgegen der Auffassung des Finanzamts gilt das BMF-Schreiben v. 19.3.2020 auch für Rückstände aus der Zeit vor der Pandemie.
Voraussetzung für einen Vollstreckungsaufschub ist jedoch, dass dem Steuerpflichtigen ein unangemessener Nachteil durch die Vollstreckung droht. Ein solcher kann nur drohen, wenn der Steuerpflichtige die Steuerschuld nicht mit vorhandenen Mitteln begleichen kann. Daher muss der Antragsteller darlegen und glaubhaft machen, dass er zur Begleichung der Steuerschuld nach seinen Vermögensverhältnissen aktuell nicht in der Lage ist.
Auch von der Pandemie nachhaltig negativ betroffene Steuerschuldner, also solche mit Einkommensreduzierungen im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie, die nach ihren allgemeinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen ihre Steuerschulden aber gleichwohl bezahlen können, müssen dies weiterhin – trotz Pandemie – tun.
Trotz Pandemie hat aber ein Steuerpflichtiger keinen Anspruch auf Vollstreckungsaufschub, wenn er nicht glaubhaft macht, nach seinen aktuellen Vermögensverhältnissen zur Begleichung der offenen Steuern aktuell nicht in der Lage zu sein. Im vorliegenden Fall fehlte es an dieser Glaubhaftmachung, da der Antragsteller ein Schließfach bei der Bank unterhielt und trotz wiederholter Aufforderung dem Finanzamt den Zugang zu diesem Schließfach verweigert hat.
Schäden, die durch Wildtiere entstehen, können nicht im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen steuerlich berücksichtigt werden. Dies gilt auch für Aufwendungen zur Beseitigung konkreter, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehender Gesundheitsgefahren.
Hintergrund
Biber untergruben eine Böschung, worauf diese samt der Terrasse des von den Klägern selbst bewohnten Einfamilienhauses absackte. Eine Fachfirma erneuerte die Pflasterung der Terrasse und die abgesackten Wege. Diese errichtete zudem eine "Bibersperre" in Form eines mit Wackergeröll verfüllten Grabens. Die Kläger machten die Aufwendungen von ca. 4.000 EUR im Zusammenhang mit einem Biberschaden an Terrasse und Garten als außergewöhnliche Belastung geltend.
Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung an. Die nachgewiesenen Lohnkosten berücksichtigte es als Handwerkerleistungen i. S. d. § 35a Abs. 3 EStG. Das Finanzgericht folgte dem Finanzamt und wies die Klage ab.
Entscheidung
Die Revision der Kläger hatte keinen Erfolg. Die geltend gemachten Aufwendungen zur Beseitigung der Biberschäden und zur Errichtung der Bibersperre erkannte auch der Bundesfinanzhof nicht als außergewöhnliche Belastungen an.
Ziel der gesetzlichen Regelung zu den außergewöhnlichen Belastungen ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aufwendungen sind außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Vom Abzug sind daher die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, ausgeschlossen. Das gilt auch dann, wenn die Aufwendungen einen grundrechtlich geschützten Bereich betreffen.
Davon ausgehend sind die streitigen Aufwendungen bereits dem Grunde nach nicht außergewöhnlich. Denn Wildtierschäden sind keineswegs unüblich. Wildtierarten, die über Jahrzehnte in der deutschen Kulturlandschaft ausgestorben oder stark zurückgedrängt waren, sind in Deutschland wieder heimisch geworden und breiten sich aus. Vielfältige Wildtierpopulationen haben sich auch in den Siedlungsräumen etabliert. Wildtiere können z. T. beträchtliche Schäden verursachen. Ebenso können Wildtierpopulationen – insbesondere in Siedlungsräumen – Maßnahmen zur Vermeidung oder Verringerung entsprechender Wildschäden erfordern, wie z.B. die Errichtung von Barrieren und Zäunen, die Vergrämung von Wildtieren oder die Steuerung des Habitats.
Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden durch Wildtiere und für Maßnahmen zur Vermeidung von Wildtierschäden sind daher nicht mit ungewöhnlichen Schadensereignissen wie Brand oder Hochwasser vergleichbar. Aufwendungen in Zusammenhang mit Wildtierschäden sind daher grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, selbst wenn sie zur Beseitigung konkreter, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehender Gesundheitsgefahren geleistet werden.
Das Finanzamt hat deshalb die Lohnkosten zutreffend als Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG angesetzt.
Mietet ein Unverheirateter aus beruflichen Gründen eine Zweitwohnung in Hamburg an, muss er damit rechnen, Zweitwohnungssteuer zahlen zu müssen. Dass Verheiratete von dieser Steuer ausgenommen sind, ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
Hintergrund
Der Kläger wohnte seit dem Jahr 2015 an seinem Hauptwohnsitz zusammen mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Sohn. In Hamburg unterhielt er aus beruflichen Gründen eine Nebenwohnung, die er in der Regel von Dienstag bis Donnerstag nutzte. Im Jahr 2018 reichte er eine Steuererklärung zur Zweiwohnungssteuer ein und beantragte gleichzeitig die Befreiung davon. Er begründete dies damit, dass die Nebenwohnung aus beruflichen Gründen erforderlich und die Verlegung des Hauptwohnsitzes aus privaten Gründen nicht möglich war. Das Finanzamt lehnte die Befreiung von der Zweitwohnungssteuer ab, da dies für nichteheliche Lebensgemeinschaften nicht in Betracht kommt. Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage.
Entscheidung
Die Klage gegen die Festsetzung der Zweitwohnungssteuer hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht wies die Klage ab. Zwar begünstigt der Hamburgische Gesetzgeber Eheleute und Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz mit der bestehenden Regelung über das verfassungsrechtlich gebotene Maß hinaus. Diese Privilegierung von Eheleuten war jedoch vorliegend verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften war nach Ansicht des Finanzgerichts nicht zu erkennen. Selbst wenn zu dieser nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein gemeinsames, minderjähriges Kind gehört, war es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Zweitwohnung zu besteuern. Dass es berufliche Gründe für die Einrichtung der Nebenwohnung gab, änderte an diesem Ergebnis nichts.