Sehr geehrte Damen und Herren,
auch in diesem Jahr - und damit zum 15ten Mal - wurden wir durch das Wirtschaftsmagazin FOCUS-Money als Top-Steuerberater ausgezeichnet.
Zur Erlangung dieser Auszeichnung war es im Jahr 2022 erforderlich, 24 knifflige Fachfragen richtig zu lösen. Darüber hinaus wurde der Stand der Kanzlei in den Punkten Fachwissen, Spezialisierung, Personalentwicklung, Qualität und regelmäßiger Fortbildung sowie zum Digitalisierungsgrad abgefragt.
Wir freuen uns sehr über diese Auszeichnung und bedanken uns bei unserem gesamten Team, welches diese Auszeichnung erst möglich machte!
Viele Grüße
Ihr Team von Schauer Häffner & Partner
Steuerzahlungstermine im Juli
| Fälligkeit | Zahlungsfrist bei Überweisung |
Lohn- /Kirchensteuer | 11.07. | 14.07. |
Umsatzsteuer | 11.07. | 14.07. |
Grundsteuer | 01.07. | 04.07. |
Sonstige Termine
25.07. | Übermittlung Beitragsnachweise für Juli 2022 |
25.07. | Zusammenfassende Meldung Juni 2022 / II. Quartal |
27.07. | Fälligkeit (voraussichtliche) Beitragsschuld Juli 2022 zzgl. restliche Beitragsschuld Juni 2022 |
Bundestag und Bundesrat haben diverse Maßnahmen beschlossen, die u. a. steuerliche Entlastungen mit sich bringen.
Hintergrund
Am 27.4.2022 haben sich die Koalitionsfraktionen auf ein Maßnahmenpaket geeinigt, um die Folgen der Corona-Pandemie und des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine für die Bevölkerung abzufedern (sog. Entlastungspaket II). Die geplanten Maßnahmen sind in diverse Gesetzgebungsverfahren eingeflossen, die nun von Bundestag und Bundesrat final verabschiedet wurden.
Anbei ein kurzer Überblick über die wesentlichen Regelungen:
Energiepreispauschale
Erwerbstätige, Selbständige und Gewerbetreibende erhalten eine einmalige Energiepreispauschale von 300 €. Die Auszahlung erfolgt über die Lohnabrechnung des Arbeitgebers. Selbständige erhalten einen Vorschuss über eine einmalige Senkung ihrer Einkommensteuer-Vorauszahlung. Empfänger von Versorgungsbezügen (Beamtenpensionäre) sowie Rentner (falls keine Einkünfte aus Landwirtschaft, Gewerbebetrieb, freiberuflicher Tätigkeit oder als Arbeitnehmer vorliegen) erhalten die Pauschale dagegen nicht.
Kinderbonus
Für jedes Kind, für das Anspruch auf Kindergeld besteht, gibt es einen Einmalbonus von 100 €. Die Zahlung erfolgt ab Juli 2022 und wird auf den steuerlichen Kinderfreibetrag angerechnet.
Einmalzahlung für Empfänger von Sozialleistungen
Die bereits beschlossene Einmalzahlung für Empfänger von Sozialleistungen für Juli 2022 wird auf 200 € verdoppelt.
Befristete Einführung eines 9-Euro-Tickets
In den Monaten Juni, Juli und August kann jeder für jeweils neun Euro monatlich den öffentlichen Nahverkehr bundesweit nutzen. Die konkrete Ausgestaltung des ermäßigten Tickets obliegt den Ländern und Kommunen, die für den öffentlichen Nahverkehr zuständig sind.
Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe
Ebenfalls für die Monate Juni bis August wird die Energiesteuer auf Kraftstoffe auf das europäische Mindestmaß abgesenkt. Die Steuerentlastung für Benzin beträgt damit rund 30 Cent je Liter, für Diesel rund 14 Cent je Liter, für Erdgas rund 6 Cent je Kilogramm und für Flüssiggas (LPG) etwa 12,66 Cent je Liter.
Darüber hinaus wurden noch weitere Maßnahmen beschlossen. Dies sind im Einzelnen:
Frühere Erhöhung der Pendlerpauschale
Schließlich wird zur Entlastung von gestiegenen Mobilitätskosten die bis 2026 befristete Anhebung der Entfernungspauschale für Fernpendler ab dem 21. Kilometer rückwirkend zum 1.1.2022 auf 38 Cent ebenso vorgezogen wie die Anhebung der Mobilitätsprämie für Geringverdiener.
Arbeitnehmer in bestimmten Einrichtungen, z. B. Pflegekräfte, sollen für ihre herausragenden Leistungen während der Corona-Krise durch einen steuerfreien Corona-Pflegebonus bis zu einem Betrag von 4.500 EUR gewürdigt und finanziell honoriert werden (sog. Pflegebonus). Der steuerfreie Pflegebonus wird zusätzlich zu der bereits abgelaufenen Corona-Sonderzahlung gewährt.
Arbeitgeber haben die Möglichkeit, ihren in bestimmten Einrichtungen tätigen Arbeitnehmern einen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn und bis zu 4.500 EUR steuerfreien Pflegebonus zukommen zu lassen. Dieser steuerfreie Pflegebonus kann bis zum 31.12.2022 steuerfrei ausgezahlt werden.
Bei dem Pflegebonus handelt es sich nicht um eine steuerfreie Corona-Sonderzahlung. In der Corona-Krise wurde eine solche Sonderzahlung von bis zu 1.500 EUR gewährt, die i. d. R. allen Arbeitnehmern in der Zeit vom 1.3.2020 bis 31.3.2022 steuerfrei und beitragsfrei in der Sozialversicherung zugeflossen ist bzw. zugewendet wurde. Die Corona-Sonderzahlung konnte den Arbeitnehmern aller Berufsgruppen zur Abmilderung der zusätzlichen Belastungen gewährt werden. Die Sonderzahlung war steuerfrei, wenn diese zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gezahlt wurde und zur Abmilderung der zusätzlichen Belastungen durch die Corona-Krise diente. Die Corona-Sonderzahlung nach § 3 Nr. 11a EStG ist zum 31.3.2022 ausgelaufen.
Der Pflegebonus ist eine einmalige steuerfreie Sonderzahlung, die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern in bestimmten Einrichtungen, wie Krankenhäusern, Rettungsdiensten, Dialyseeinrichtungen, Arzt- bzw. Zahnarztpraxen, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, zur Anerkennung besonderer Leistungen während der Corona-Krise neben der Corona-Sonderzahlung gewähren können. Damit soll die Arbeit derer honoriert werden, die unter besonderen Arbeitsbedingungen während der Corona-Krise die mit dem Coronavirus infizierten Patienten versorgen und betreuen bzw. versorgt und betreut haben. Begünstigt ist der steuerfreie Pflegebonus von bis zu 4.500 EUR, der diesen Arbeitnehmern in der Zeit vom 18.11.2021 bis zum 31.12.2022 zufließt.
Anspruchsberechtigt sind Arbeitnehmer, die in der Corona-Krise erheblichen Belastungen ausgesetzt waren bzw. immer noch sind. Pro Arbeitnehmer gilt der Betrag von 4.500 EUR als Höchstbetrag für einen steuerfreien Pflegebonus i. S. d. § 3 Nr. 11b EStG. Unerheblich ist, ob bei Zahlung des Pflegebonus der Arbeitnehmer in Voll- oder Teilzeit beschäftigt ist oder ob es sich um eine geringfügig entlohnte Beschäftigung (Minijob) handelt.
Einen steuerfreien Pflegebonus können Pflegekräfte erhalten, die in einer der folgenden Einrichtung arbeiten bzw. dort tätig waren:
nicht unter § 23 Abs. 5 Satz 1 IfSG fallende voll- oder teilstationäre Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder vergleichbare Einrichtungen bzw. nicht unter § 23 Abs. 5 Satz 1 IfSG fallende ambulante Pflegedienste und Unternehmen, die den Einrichtungen nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 IfSG vergleichbare Dienstleistungen anbieten. Angebote zur Unterstützung im Alltag i. S. d. § 45a Abs. 1 Satz 2 SGB XI zählen nicht zu solchen Dienstleistungen.
Entsprechendes gilt auch für Auszubildende, Freiwillige bzw. eingesetzte Arbeitnehmer aufgrund einer Arbeitnehmerüberlassung oder eines Werk- oder Dienstleistungsvertrags, die in den vorgenannten Einrichtungen arbeiten bzw. dort tätig waren.
Der steuerfreie Pflegebonus ist im Lohnkonto aufzuzeichnen, sodass er bei einer künftigen Lohnsteuer-Außenprüfung als solcher zu erkennen ist und die Rechtsgrundlage für die Zahlung bei Bedarf geprüft werden kann. Der Zusammenhang mit der Anerkennung besonderer Leistungen während der Corona-Krise kann sich ergeben aus Erklärungen des Arbeitgebers (z. B. individuelle Lohnabrechnungen oder Überweisungsbelege), in denen der steuerfreie Pflegebonus als solcher ausgewiesen ist.
Der Pflegebonus ist nicht auf der Lohnsteuerbescheinigung auszuweisen und muss auch nicht in der Einkommensteuererklärung angegeben werden.
Eine Pflegekraft hat auch dann Anspruch auf eine Corona-Prämie, wenn sie den vorausgesetzten Tätigkeitszeitraum von 3 Monaten krankheitsbedingt nicht zusammenhängend erbringen kann. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber die Corona-Prämie an Erben auszahlen.
Hintergrund
Die Klägerin war als Pflegekraft im Zeitraum vom 1.3.2020 bis 31.10.2020 in einer zugelassenen Pflegeeinrichtung beschäftigt. Insgesamt war sie während dieser Zeit auch 3 Monate tätig, allerdings nicht durchgehend an 90 Tagen hintereinander. Ihre Arbeitszeiten waren durch mehrere über 14 Tage andauernde Krankheitszeiten unterbrochen. Der Arbeitgeber lehnte daher die Zahlung der Corona-Prämie ab, da die Pflegekraft im Bemessungszeitraum keine 3 Monate zusammenhängend tätig gewesen war. Mit ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht verlangte die Pflegekraft die Zahlung der Prämie. Nachdem sie kurz nach Klageerhebung verstorben war, führte ein Erbe den Rechtsstreit weiter.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Das Landesarbeitsgericht verurteilte die Pflegeeinrichtung zur Zahlung der Corona-Prämie an den Erben. Die 3-monatige Arbeitsleistung im Bemessungszeitraum für einen Anspruch nach § 150a SGB XI auf die Corona-Prämie muss nicht zusammenhängend erfolgen. Krankheitszeiten von mehr als 14 Tagen führten nicht dazu, dass der 3-Monatszeitraum neu zu laufen beginnt und bisherige Zeiten der Arbeitsleistung unerheblich sind. Vielmehr werden mehrere Tätigkeitszeiträume zusammengezählt.
Solange die einzelnen Tätigkeitszeiträume im Berechnungszeitraum also in der Summe 3 Monate ergeben, entfällt der Anspruch auf den Pflegebonus nicht wegen Unterbrechungen aufgrund von Krankheit. Dies war im vorliegenden Fall gegeben.
Darüber hinaus ist die Corona-Prämie vererbbar. Deshalb konnte der Erbe den Rechtsstreit nach dem Tod der Pflegekraft fortführen. Damit hat er nun Anspruch auf Zahlung der Prämie.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Problematik der Urlaubsberechnung bei „Kurzarbeit Null“ jetzt höchstrichterlich wie folgt entschieden:
„1. Der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage führt zu einer Neuverteilung der Arbeitszeit, infolge deren der Jahresurlaub entsprechend § 3 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) neu zu berechnen ist. Die aufgrund der Kurzarbeit ausgefallenen Arbeitstage sind bei der Berechnung des Urlaubsumfangs nicht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen (...).
2. Das in Arbeitstagen Urlaub ausgedrückte Erholungsbedürfnis steht in einem inneren Zusammenhang mit der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung und verringert sich, wenn Arbeitstage
infolge Kurzarbeit ausfallen (...). Die im Zusammenhang mit der Kurzarbeit gegenüber der Agentur für Arbeit bestehenden sozialversicherungsrechtlichen Mitwirkungsobliegenheiten führen nicht dazu, dass aufgrund von Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage als Zeiten mit Arbeitspflicht gelten (...).
3. Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit nicht einseitig durch Ausübung des Direktionsrechts einführen. Es bedarf hierzu vielmehr einer besonderen einzelvertraglichen oder kollektivrechtlichen Grundlage, um die vertragliche Arbeits- und Vergütungspflicht einzuschränken (...)“.
Im Urteilsfall befand sich eine Arbeitnehmerin in drei vollen Monaten durchgehend in Kurzarbeit Null. Nach Ansicht des Gerichts hat sie in den Zeiten der Kurzarbeit Null keine Urlaubsansprüche erworben. Damit steht ihr der Jahresurlaub nur anteilig in gekürztem Umfang zu. Der Arbeitgeber ist danach berechtigt für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null den Urlaub um 1/12 zu kürzen.
Quelle:
BAG, Urteil vom 30.11.2021 – 9 AZR 225/21 (DB 2022 S. 1204)
Einem Antrag auf Vorsteuervergütung sind bestimmte Belege beizufügen, manche gleich, manche auch erst später. Legt der Steuerpflichtige einem fristgerecht eingereichten Vorsteuervergütungsantrag nur die Schlussrechnung bei, können die dazugehörigen Anzahlungsrechnungen deshalb noch nach Fristablauf nachgereicht werden.
Hintergrund
Die Klägerin ist eine in Österreich ansässige Maschinenbaugesellschaft. Sie stellte im Juni 2018 beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) einen Vorsteuervergütungsantrag für den Zeitraum Januar bis Dezember 2017. Dieser enthielt auch 2 Schlussrechnungen, mit denen unter Berücksichtigung von bereits geleisteten Abschlagszahlungen jeweils noch eine Restzahlung abgerechnet wurde. In der Einzelaufstellung der Rechnungen (Anlage zum Vergütungsantrag) waren lediglich die Rechnungsangaben der beiden Schlussrechnungen aufgeführt und nur diese, nicht jedoch die bereits zuvor zwischen Mai und August 2017 erteilten Anzahlungsrechnungen, wurden in elektronischer Form beim BZSt eingereicht.
Das BZSt gewährte die Vorsteuervergütung nur in Höhe der sich aus den Schlussrechnungen ergebenden Restzahlungen, nicht jedoch bezüglich der bereits in den Anzahlungsrechnungen ausgewiesenen Vorsteuerbeträgen. Im Laufe des nachfolgenden Einspruchsverfahrens wurden die Anzahlungsrechnungen nachgereicht. Das BZSt verweigerte allerdings nach wie vor den Vorsteuerabzug aus den Anzahlungsrechnungen.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht begründete sein Urteil damit, dass zwar bei Anzahlungsrechnungen ein Vorsteuerabzug grundsätzlich nur aufgrund dieser Rechnungen und nicht aufgrund der späteren End- bzw. Schlussrechnungen möglich ist. Im vorliegenden Fall war jedoch auf die Anzahlungsrechnungen in den Schlussrechnungen, die im Antrag aufgelistet waren, Bezug genommen worden.
Die Nachreichung von Anzahlungsrechnungen ist insbesondere nach der neueren EuGH-Rechtsprechung einer Ergänzung der zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnungen bzw. einer Ergänzung von Rechnungsangaben durch Übermittlung zusätzlicher Informationen gleichzusetzen. Ebenso ist zu beachten, dass die Frist zur Vorlage zusätzlicher Informationen keine Ausschlussfrist ist. Außerdem liegt keine unzulässige Zusammenfassung von mehreren Rechnungen in einer Antragsposition vor, da es um inhaltlich zusammengehörende Rechnungen geht. Denn in den Schlussrechnungen wird auf die entsprechenden Anzahlungsrechnungen ausreichend Bezug genommen.
„Der aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs anlässlich des Widerrufs eines Darlehens erhaltene Nutzungsersatz für bereits erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen stellt steuerpflichtige Kapitalerträge des Darlehensnehmers nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar.“
Im vorliegenden Streitfall hatten die Steuerpflichtigen ein privates Immobiliendarlehen aufgenommen, das Darlehen nach Ablauf von 10 Jahren gekündigt und den Widerruf unter Verweis auf eine fehlende Widerrufsbelehrung erklärt.
Mit der Bank wurde eine Einigung über die Höhe einer Entschädigung für die Nutzung der bereits von den Steuerpflichtigen erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen erzielt.
Umstritten ist, ob der anlässlich des Widerrufs eines Darlehens erhaltene Nutzungsersatz für bereits erbrachte Zins und Tilgungsleistungen bei den Darlehensnehmern einkommensteuerpflichtige Kapitalerträge darstellt.
Die Steuerpflichtigen vertreten die Auffassung, die Vergleichssumme stelle keine Kapitalerträge dar.
Da auch diverse Finanzgerichte unterschiedlicher Rechtsauffassung sind, wurde die Revision zugelassen und auch eingelegt. Vergleichbare Fälle sollten offengehalten werden.
Quelle:
FG Münster, Urteil vom 13.01.2022 - 3 K 2991/19 E - Revision eingelegt; Az. BFH: VIII R 5/22 (EFG 2022 S. 480
Bei der pauschalierten Lohnsteuer handelt es sich um die durch die Tatbestandsverwirklichung des Arbeitnehmers entstandene und vom Arbeitgeber lediglich übernommene Lohnsteuer. Es liegt keine Unternehmenssteuer eigener Art vor (Änderung der Rechtsprechung).
Hintergrund
Die X war alleinige Geschäftsführerin einer GmbH. Bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der GmbH für 2015 bis 2017 wurde festgestellt, dass für die private Nutzung eines Firmen-Kfz und für an die Arbeitnehmer erstattete Verpflegungsmehraufwendungen keine Lohnsteuer einbehalten und abgeführt wurde. Das Finanzamt führte eine pauschale Nachversteuerung durch und setzte mit Nachforderungsbescheid im Jahr 2018 pauschale Lohnsteuer fest. Auch wurden von der GmbH für die Anmeldezeiträume 12/2017 und 1/2018 Lohnsteuer zwar angemeldet, aber (teilweise) nicht abgeführt. Bereits im Dezember 2017 war für die GmbH ein Insolvenzantrag gestellt worden.
Nachdem die Forderungen von der GmbH nicht beigetrieben werden konnten, nahm das Finanzamt die X als Geschäftsführerin mit Haftungsbescheiden in Anspruch, und zwar für die pauschale Lohnsteuer nach der Außenprüfung und für die individuelle Lohnsteuer 12/2017 und 1/2018.
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Für die individuelle Lohnsteuer 12/2017 und 1/2018 war X durch den Insolvenzantrag nicht entschuldigt, auch nicht für die pauschale Lohnsteuer. X hätte die Lohnsteuer-Abzugsbeträge in die monatlichen Lohnsteuer-Anmeldungen 2015 bis 2017 aufnehmen müssen. Denn Bezugspunkt der Haftung bleibt auch hier der Zeitpunkt des Zuflusses des Arbeitslohns.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung des Finanzgerichts und entschied, dass sowohl für die individuelle als auch für die pauschalierte Lohnsteuer sich die Frage der Pflichtverletzung nach der Entstehung der Steuer und somit nach dem Zeitpunkt des Zuflusses richtet.
Zahlungsschwierigkeiten der GmbH schließen das Verschulden des Geschäftsführers bei Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH nicht aus. Reichen die zur Verfügung stehenden Mittel zur Lohnzahlung nicht aus, darf der Geschäftsführer die Löhne nur gekürzt auszahlen und muss die auf die gekürzten Löhne entfallende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen.
Entgegen der Ansicht der X kommt es bei der pauschalierten Lohnsteuer nicht auf den Fälligkeitszeitpunkt laut Nachforderungsbescheid (12.4.2018) an, sondern auf die Pflichtverletzung durch Nichtanmeldung und Nichtabführung der Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten in 2015 bis 2017. Bei der pauschalen Lohnsteuer handelt es sich um eine von der Steuer des Arbeitnehmers abgeleitete Steuer. Die Steuerschuldnerschaft des Arbeitgebers ist lediglich steuertechnischer (formeller) Art.
Der Bundesfinanzhof hatte bisher vertreten, die Pflichtverletzung und das Verschulden des Haftungsschuldners richte sich bei Lohnsteuer-Pauschalierung nach dem Zeitpunkt der Fälligkeit der pauschalen Lohnsteuer und nicht nach dem Zeitpunkt der Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer. Hieran hält der Bundesfinanzhof nicht fest. Denn die pauschale Lohnsteuer entsteht durch den Zufluss beim Arbeitnehmer und wird vom Arbeitgeber lediglich übernommen. Hiervon ausgehend ist von einer schuldhaften Pflichtverletzung der X auszugehen, da sie die Lohnabzugsbeträge in den Jahren 2015 bis 2017 nicht angemeldet und abgeführt hat.
Durch den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (21.12.2017) war die X rechtlich nicht gehindert, die Lohnsteuer für 12/2017 abzuführen. Denn allein der Antrag schränkt den Geschäftsführer in seiner Verfügungsbefugnis nicht ein. Für 1/2018 (Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters am 1.2.2018) hat X nicht substantiiert dargelegt, welche Schritte sie zur Zahlung der Steuer am Fälligkeitstag eingeleitet hatte.
Ist bei Arbeitnehmern, die namentlich bekannt sind, der Lohnsteuerabzug unterblieben, wurden die entsprechenden Einkünfte aber vollständig und ordnungsgemäß, wenn auch fälschlicherweise im Rahmen einer unzutreffenden Einkunftsart, zur Einkommensteuer veranlagt, darf das Finanzamt den Arbeitgeber nicht in Haftung nehmen.
Hintergrund
Das Finanzamt stellte bei der Klägerin, einer GmbH, fest, dass im Zeitraum August 2011 bis Juli 2014 Lohnzahlungen nicht als Arbeitslohn versteuert worden waren. Das Finanzamt erließ daraufhin mehrere Haftungsbescheide gegenüber der GmbH.
Die Klägerin argumentierte dagegen, dass die vom Finanzamt als Arbeitnehmer angesehenen Personen selbstständige Subunternehmer waren. Auch wurde das Auswahlermessen deshalb fehlerhaft ausgeübt, weil die als vermeintliche Arbeitnehmer bezeichneten Personen nicht in das Auswahlermessen einbezogen wurden, obwohl die Personen dem Finanzamt bekannt waren.
Entscheidung
Das Finanzgericht hat die angefochtenen Haftungsbescheide aufgehoben. Es bedurfte vorliegend keiner Entscheidung der Frage, ob und in welchem Umfang die Haftungsvoraussetzungen gegeben sind. Denn die Haftungsbescheide waren schon deshalb rechtswidrig, weil das Finanzamt vom bei der Inhaftungnahme des Arbeitgebers im Fall des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen bestehenden Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe.
Soweit Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Gesamtschuldner für die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers als einer Vorauszahlungssteuer für die Einkommensteuer einstehen müssen, steht dem Betriebsstättenfinanzamt ein Auswahl- und Entschließungsermessen zu. Dabei betrifft das Entschließungsermessen die Frage, ob nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer geltend gemacht werden soll. Im Rahmen des Auswahlermessens ist zu entscheiden, wer von mehreren Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden oder für sie haften würden, in Anspruch genommen wird.
Steht bei namentlich bekannten Arbeitnehmern leicht überprüfbar und sicher fest, dass sie mit den Einkünften, hinsichtlich derer der Lohnsteuerabzug unterblieben ist, vollständig und ordnungsgemäß – wenn auch fälschlicherweise im Rahmen einer unzutreffenden Einkunftsart – zur Einkommensteuer veranlagt wurden, ist der Arbeitgeber nicht in Haftung zu nehmen.
Kann die Lohnsteuer vom Betriebsstättenfinanzamt bei den Arbeitnehmern als Steuerschuldnern noch erhoben werden, ist der Arbeitgeber nachrangig heranzuziehen, wenn wenige namentlich feststehende Arbeitnehmer betroffen sind und deren Einkünfte wahrscheinlich unter der steuerpflichtigen Grenze liegen werden.
Grundlage für eine ordnungsgemäße Ausübung des Entschließungs- und Auswahlermessens ist, dass die Finanzbehörde die ermessensrelevanten Umstände zutreffend ermittelt hat. Geht sie von falschen Tatsachen aus oder hat sie ermessensrelevante Gesichtspunkte, obwohl das möglich war, nicht festgestellt, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor. Die ist hier der Fall gewesen.
Bei bestimmten gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen bedürfen Vollmachten einer strengeren Form. Deshalb sind z.B. bei der Gründung die Vollmachten von GmbH-Gesellschaftern häufig notariell zu beglaubigen. Auch müssen sie den Vollmachtgeber hinreichend individualisieren.
Hintergrund
Eine GmbH sollte gegründet werden. Der Gründungsgesellschafter hielt sich im Ausland auf und nahm daher den Notartermin für die Gründung nicht selbst wahr. Stattdessen erteilte er einer anderen Person die Vollmacht, ihn bei der Gründung zu vertreten. Die zugrunde liegende Vollmacht wurde notariell beglaubigt.
Das Registergericht lehnte die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ab, weil im Beglaubigungsvermerk nur der Name des Erklärenden angegeben war. Dies reichte nicht aus, denn eine Beglaubigung muss über den Namen hinaus weitere individualisierende Angaben enthalten. Dagegen wandte sich die den Gesellschaftsvertrag beurkundende Notarin.
Entscheidung
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ermöglichte der vorgelegte Beglaubigungsvermerk keine eindeutige Identitätsprüfung. Erforderlich gewesen wäre daneben zumindest die Angabe des Geburtsdatums und des Wohnorts. Anderenfalls kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine namensgleiche Person die Vollmacht erteilt hat.
Bei der notariellen Beglaubigung leistet der Vollmachtgeber seine Unterschrift vor einem Notar. Anders als bei der notariellen Beurkundung verliest dabei der Notar keinen Text, sondern er bescheinigt lediglich die Echtheit der Unterschrift. Damit diese Bescheinigung später vom Handelsregister akzeptiert wird, muss der Beglaubigungsvermerk den Vollmachtgeber eindeutig identifizieren. Er muss daher neben dem vollständigen Namen das Geburtsdatum und die Wohnadresse, ggf. sogar einen abweichenden Geburtsnamen des Vollmachtgebers beinhalten.
Sitzt der Vollmachtgeber im Ausland, kann er die Vollmacht entweder von einem deutschen Konsularbeamten oder von einem ausländischen Notar beglaubigen lassen. Bei der Beglaubigung durch einen ausländischen Notar ist jedoch, abhängig vom Land, eine Apostille oder Legalisation der Beglaubigung als zusätzlicher Authentizitätsnachweis erforderlich.
Ob eine erloschene Abgabenschuld nach § 144 Abs. 1 InsO rückwirkend wieder aufgelebt ist, stellt eine Streitigkeit über die Verwirklichung eines Steueranspruchs dar. Deshalb kann in einem Abrechnungsbescheid festgestellt werden, ob ein solcher Anspruch des Finanzamts besteht.
Hintergrund
Die Einzelunternehmerin X war Organträgerin der Y-GmbH. Bis zum 30.6.2009 war X Geschäftsführerin der GmbH. X schuldete als Organträgerin aufgrund von Umsätzen der GmbH Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für Januar bis Juni 2009. Die Zahlungen erfolgten jedoch nicht durch die X als Steuerschuldnerin, sondern durch die GmbH unter Angabe der Steuernummer der X.
Im Jahr 2010 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Juni 2012 hat der Insolvenzverwalter gegenüber dem Finanzamt die Zahlungen der GmbH angefochten. Nachdem das Finanzamt die angefochtenen Zahlungen der GmbH auf die Umsatzsteuer für Januar bis Juni 2009 an den Insolvenzverwalter ausgekehrt hatte, forderte es von X die Zahlung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für Januar bis Juni 2009 von ca. 13.400 EUR und erließ einen Abrechnungsbescheid. In dieser Höhe waren seiner Ansicht nach Steueransprüche aufgrund der Rückgewährung an den Insolvenzverwalter nach § 144 InsO wieder aufgelebt.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof entschied, dass ein nach § 144 Abs. 1 InsO wieder auflebender Steueranspruch ein Anspruch aus einem Steuerschuldverhältnis ist. Folglich kann in einem Abrechnungsbescheid festgestellt werden, ob ein solcher Anspruch des Finanzamts besteht. Der Bundesfinanzhof hob das entgegenstehende Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück.
Eine Streitigkeit über die Frage, ob eine erloschene Abgabenschuld nach § 144 Abs. 1 InsO rückwirkend wieder aufgelebt ist, ist eine Streitigkeit über die Verwirklichung eines Steueranspruchs i. S. v. § 218 Abs. 2 AO. Bereits der Wortlaut des § 144 Abs. 1 InsO legt nahe, dass es sich bei der Forderung, die von der Rechtsfolge des § 144 Abs. 1 InsO erfasst wird, um die nämliche Forderung handelt, die aufgrund der zunächst erfolgten Leistung erloschen ist. Dafür sprechen zunächst das Wort “aufleben”, das ausdrücklich an einen früheren Zustand anknüpft, und der Zusatz “wieder”, der ebenfalls eine Rückbeziehung impliziert. Wenn es in Bezug auf den Empfänger der anfechtbaren Leistung heißt, “seine” Forderung lebe wieder auf, dann verweist diese Formulierung ebenso ausdrücklich auf die ursprüngliche, zunächst erloschene Forderung, die aufgrund der Anfechtung wieder entsteht.
Dieses Verständnis entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 144 Abs. 1 InsO, der darauf abzielt, möglichst den Zustand wieder herzustellen, der ohne die anfechtbare Rechtshandlung bestand.
Die Zahlung der Steuerschuld führt zwar regelmäßig zu ihrem Erlöschen und damit zur Beendigung dieses Steuerschuldverhältnisses. Bei Steuerfälligkeiten, die in die insolvenzreife Zeit fallen, bleibt dieses Steuerschuldverhältnis jedoch selbst bei fristgerechter Zahlung wegen der Anfechtungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters zunächst in der Schwebe. Die erfolgreiche Anfechtung und Rückgewähr nach § 143 InsO bewirkt sonach gem. § 144 InsO, dass die Steuerschuld rückwirkend wieder auflebt. Die Beendigung des Steuerschuldverhältnisses ist insoweit auflösend bedingt. Bei den Ansprüchen, die nach § 144 InsO wieder entstehen, handelt es sich folglich um die ursprünglichen Zahlungsansprüche.
Private Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt, sind als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 2 EStG i.V. mit § 23 EStG grundsätzlich steuerpflichtig.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass nach der Entscheidung eines Sozialgerichts bei freiwillig gesetzlich Versicherten der Gewinn auch noch der Verbeitragung durch die Krankenkasse unterliegt.
„1. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (§§ 22 Nr. 2, § 23 EStG) zählen bei freiwilligen Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu den beitragspflichtigen Einnahmen iSd § 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze für Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz).
2. Maßgebend ist der im Einkommensteuerbescheid festgesetzte Gewinn gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG.
3. Ein Verlustvortrag nach § 10d EStG ist nicht zu berücksichtigen.“
Gegen das Urteil wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts bleibt abzuwarten.
Quelle:
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.11.2021 – L 11 KR 2257/21 - Revision eingelegt; Az. BSG: B 12 KR 9/21 R (DStR 2022 S. 949)
Wird eine Lebensversicherung an ein behindertes Kind ausgezahlt, ist zu unterscheiden: Zu den Bezügen des Kindes gehört der Anteil der Kapitalleistung einer Rentenversicherung mit Gewinnbeteiligung, der von der Versicherungsgesellschaft erwirtschaftet wurde. Bei dem Teil der Auszahlung, der auf angesparten Beiträgen beruht, handelt es sich dagegen um Vermögen.
Hintergrund
Die Mutter M bezog für ihren 1964 geborenen Sohn S Kindergeld. Dieser ist seit seiner Geburt behindert. Er erhielt im Streitzeitraum Juli bis November 2019 u.a. eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Seit 1983 war S Versicherungsnehmer und versicherte Person eines Rentenversicherungsvertrags mit Gewinnbeteiligung. Die Beitragszahlungspflicht endete zum 1.6.2019. Zu diesem Zeitpunkt erhielt S statt einer monatlichen Rente eine einmalige Kapitalleistung aus der Versicherung von 77.000 EUR.
Im Hinblick auf die Kapitalauszahlung hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab 1.7.2019 auf. Denn S war damit in der Lage, seinen Lebensunterhalt selbst zu finanzieren.
Das Finanzgericht gab der Klage statt, da S aufgrund seiner Behinderung nach wie vor außerstande gewesen war, sich selbst zu unterhalten. Die Kapitalleistung aus der Versicherung änderte hieran nichts.
Entscheidung
Auf die Revision der Familienkasse hob der Bundesfinanzhof das Finanzgerichtsurteil auf und verwies den Fall an das Finanzgericht zurück. Bei der Auszahlung der Beträge, die das Kind oder der Kindergeldberechtigte zuvor angespart haben, handelt es sich um eine reine Umschichtung von Vermögen. Dagegen sind die Beträge, die die Versicherung erwirtschaftet hat, bei der Selbstunterhaltsfähigkeit zu berücksichtigende Bezüge, vergleichbar mit Zinsen, die eine Bank mit Sparguthaben erwirtschaftet.
Die Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs des existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits zu prüfen. Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge, d.h. alle Mittel, die zur Deckung seines Lebensunterhalts geeignet und bestimmt sind und ihm im maßgeblichen Zeitraum zufließen.
Nicht dazu gehört jedoch sein Vermögen. Das Vermögen des behinderten Kindes gehört nicht zu den finanziellen Mitteln, die es für den Selbstunterhalt einzusetzen hat. Während Einkünfte und Bezüge im Grundsatz alle finanziellen Mittel sind, die jemandem im maßgeblichen Zeitraum zusätzlich zufließen, die er also wertmäßig dazu erhält, ist Vermögen das, was er vor diesem Zeitraum bereits hatte.
Zahlungen auf eine bestehende Forderung nehmen allerdings eine Sonderstellung ein. Obwohl sie eine Vermögensumschichtung beinhalten, soweit durch die Zahlung eine Forderung erlischt, werden sie nicht stets als reine Vermögensumschichtung behandelt. Andernfalls wären alle Zahlungen, auf die das behinderte Kind einen Anspruch hat, als Vermögensumschichtungen zu behandeln und nicht als Einkünfte und Bezüge anzusetzen. Das wäre mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar.
Hiervon ausgehend ist das Finanzgericht fälschlich davon ausgegangen, dass die Zahlung der Versicherung insgesamt eine reine Vermögensumschichtung darstellt. Denn nur bei den Beträgen, die das Kind zuvor angespart hat, handelt es sich um die Auszahlung von Vermögen. Dagegen handelt es sich bei den Beträgen, die die Versicherung erwirtschaftet hat, um bei der Selbstunterhaltsfähigkeit zu berücksichtigende Bezüge, vergleichbar mit Zinsen. Dass S einen Anspruch auf die Versicherungssumme hatte, der durch Auszahlung erloschen ist, ist als Vermögensumschichtung irrelevant.
Das Finanzgericht muss ermitteln, in welchem Umfang dem Kind ein erwirtschafteter Bezug zugeflossen ist. Dabei ist der Sparanteil, der sich aus den eingezahlten Beträgen speist, von der Versicherungssumme abzuziehen. Hierbei handelt es sich nach den Grundsätzen des abgekürzten Zahlungswegs um Sparleistungen des S, auch wenn die Beträge von der M an die Versicherung überwiesen wurden.
Ist ein Kind wegen eines Unfalls langfristig erkrankt, scheidet eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung wegen Berufsausbildung aus, wenn weitere Ausbildungsmaßnahmen unterbleiben. Das gilt auch bei einem fortbestehenden Ausbildungsverhältnis.
Hintergrund
Sohn S hatte im August 2015 eine Ausbildung begonnen, die nach dem Ausbildungsvertrag zum Januar 2019 enden sollte.
Im September 2018 erlitt S einen schweren Unfall. Er befand sich von September bis November 2018 in stationärer Behandlung. Danach durchlief er verschiedene Reha-Maßnahmen, deren letzte 17 Monate nach dem Unfall begann. Das Ausbildungsverhältnis bestand weiter. Nach einer ärztlichen Bescheinigung vom Januar 2019 war das Ende der Erkrankung nicht absehbar.
Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung für Oktober bis Dezember 2018 auf und lehnte die Gewährung ab Januar 2019 ab.
Das Finanzgericht sprach Kindergeld für die ersten 8 Monate nach dem Unfall zu (Oktober 2018 bis Mai 2019), denn S war weiterhin als Kind in Berufsausbildung zu berücksichtigen.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht zurück. Eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung wegen Ausbildung scheidet aus, wenn die Erkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate andauern wird. Es kommt dann aber eine Berücksichtigung wegen Behinderung in Betracht.
In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Allein das formale Bestehen eines Ausbildungsverhältnisses genügt nicht, solange es an ernsthaften und nachhaltigen Ausbildungsmaßnahmen fehlt.
Hiervon ist allerdings eine Ausnahme anerkannt, wenn die Ausbildung infolge einer Erkrankung unterbrochen wird. Dafür ist jedoch erforderlich, dass das Kind einen Ausbildungsplatz hat und ausbildungswillig ist. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt, da der Ausbildungsvertrag fortbestand und S weiterhin ausbildungswillig war.
Die Unterbrechung der Ausbildungsmaßnahmen im Rahmen des fortbestehenden Ausbildungsverhältnisses steht der Berücksichtigung als in Ausbildung befindliches Kind aber nur dann nicht entgegen, wenn die Erkrankung nur vorübergehend ist.
Das Erfordernis einer nur vorübergehenden Krankheit ergibt sich aus der Abgrenzung der von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erfassten Fälle (Berufsausbildung) von den unter § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG fallenden Fällen (Behinderung). Die Berücksichtigung als behindertes Kind erfordert eine mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate dauernde Beeinträchtigung.
Unterbleiben Ausbildungsmaßnahmen wegen einer Erkrankung, darf die gesundheitliche Beeinträchtigung daher nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate andauern, wenn das Kind weiter unter dem Gesichtspunkt der Ausbildung berücksichtigt werden soll. Dabei ist nicht die seit Beginn der Erkrankung tatsächlich verstrichene Zeit maßgebend, sondern die ihrer Art nach zu erwartender Dauer der Funktionsbeeinträchtigung. Zur Beurteilung dieser Frage ist eine Prognose zur (weiteren) Entwicklung der Funktionsbeeinträchtigung zu stellen.
Das Finanzgericht hat nicht festgestellt, ob eine 6 Monate übersteigende Erkrankungsdauer bereits in den ersten Monaten nach der Erkrankung erwartet wurde. Falls zunächst eine schnellere Genesung als möglich erschien, könnte S angesichts des fortbestehenden Ausbildungsverhältnisses bis dahin weiter als Kind in Berufsausbildung berücksichtigt werden.
Für den Zeitraum, in dem wegen des erwarteten längeren Heilungsprozesses eine Berücksichtigung wegen Ausbildung nicht in Betracht kommt, ist zu prüfen, in welchen Monaten S behinderungsbedingt außerstande war, sich selbst zu unterhalten und deshalb als behindertes Kind zu berücksichtigen ist.
Wird der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse rechtskräftig abgelehnt, wird die GmbH aufgelöst. Dies gilt auch bei Wegfall der Insolvenzgründe.
Hintergrund
Eine GmbH stellte einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Das Insolvenzgericht wies den Antrag mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse zurück; der Beschluss wurde rechtskräftig. Die Auflösung der GmbH wurde im April 2007 in das Handelsregister eingetragen.
Am 29.5.2020 beschlossen die Gesellschafter die Sitzverlegung, die Änderung des Unternehmensgegenstands und die Fortsetzung der GmbH. Bei der Anmeldung versicherte der Liquidator, dass kein Insolvenzgrund mehr bestehe, insbesondere, dass die Verbindlichkeiten das Gesellschaftsvermögen nicht übersteigen. Er überwies der GmbH zudem einen Betrag i. H. v. 25.000 EUR mit dem Verwendungszweck “Einzahlung Stammkapital”.
Das Amtsgericht hat den Eintragungsantrag zurückgewiesen. Die hiergegen beim OLG erhobene Beschwerde blieb ohne Erfolg.
Viele Fahrzeuge werden geleast. Werden auch Wartungsgebühren erhoben, sind diese dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen.
Hintergrund
Die Klägerin ist eine GmbH, die Nutzfahrzeuge an Dritte im Rahmen eines Leasings überlässt. Für diese Fahrzeuge übernahm die Klägerin, wie vertraglich vereinbart, die Wartungsgebühren. Das Finanzamt rechnete die Wartungsgebühren als Teil der Leasingraten dem Gewerbeertrag hinzu.
Die Klägerin machte geltend, dass sie keine über die gesetzliche Pflicht hinausgehende vertragliche Verpflichtung übernommen hat. Das Finanzamt sah jedoch die Kosten für die Instandhaltung als Teil des Leasingentgelts an. Ihre Klage begründete die Klägerin damit, dass die Behandlung gegen die Grundsätze der Systematik der Hinzurechnung verstößt, nämlich der Gleichstellung von Kauf bzw. Miete oder Leasing. Der Leasingnehmer hat eine mehr einem Eigentümer als einem Mieter vergleichbare Rechtsstellung, sodass ihn regelmäßig die Erhaltungspflicht trifft.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet zurück. Die im Rahmen von Leasingverträgen aufgewendeten Wartungsgebühren sind dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen. Der Begriff der “Leasingraten” versteht sich in einem wirtschaftlichen Sinne. Zur Leasingrate gehören grundsätzlich auch gesondert in Rechnung gestellte Kosten für Instandhaltung, Instandsetzung, Verwaltung sowie umlagefähige Betriebskosten.
Die Miet- bzw. Pachtsache ist vom Vermieter/Verpächter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Damit wären die Wartungsgebühren vom Vermieter/Pächter zu tragen. Durch die Leasingverträge wurde diese Verpflichtung jedoch auf den Leasingnehmer übertragen. Zudem hat die Klägerin im Streitfall die Wartungspflichten nicht lediglich im eigenen betrieblichen Interesse übernommen, da sie vertraglich verpflichtet war, die Leasinggegenstände laufend zu warten.
Wird Grundsteuer vertraglich auf den Mieter oder Pächter eines Gewerbegrundstücks umgelegt, muss diese im Rahmen der Gewerbesteuer zusammen mit den laufend zu zahlenden Miet- bzw. Pachtzinsen dem Gewinn hinzugerechnet werden.
Hintergrund
An der X-GmbH sind die Geschwister A und B beteiligt. Diese sind auch Gesellschafter einer GbR. Die GbR vermietet an die GmbH im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ein Betriebsgebäude. Im Mietvertrag war vereinbart, dass die GmbH als Mieterin die Grundsteuer zu tragen hat.
Das Finanzamt war der Auffassung, dass die umgelegte Grundsteuer zu der von der GmbH zu zahlenden Miete gehört und daher zusammen mit den laufend zu zahlenden Miet-/Pachtzinsen dem Gewinn der GmbH hinzuzurechnen ist.
Die dagegen gerichtete Klage der GmbH hatte Erfolg. Das Finanzgericht ging davon aus, dass es sich bei der Grundsteuer als Kostenposition des Eigentümers um eine mehr oder weniger konstante Position handelt, die vom Grundstückseigentümer ertragsmindernd geltend gemacht werden kann.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und wies die Klage ab. Die auf den Mieter/Pächter überwälzte Grundsteuer gehört zu den grundstücksbezogenen Aufwendungen, für die die gewerbesteuerliche Hinzurechnung gilt.
Der Begriff der Miet-/Pachtzinsen ist wirtschaftlich zu verstehen. Er erfasst nicht nur die laufenden Zahlungen an den Vermieter/Verpächter. Vielmehr gehören dazu auch die vom Mieter/Pächter getragenen Aufwendungen, wenn und soweit sie aufgrund der für den jeweiligen Vertragstyp geltenden zivilrechtlichen Vorschriften nicht ohnehin vom Mieter/Pächter zu tragen wären.
Unter solche Aufwendungen fallen Kosten, die nach dem gesetzestypischen Lastenverteilungssystem eigentlich vom Vermieter/Verpächter zu tragen wären, aber nach dem im konkreten Fall abgeschlossenen Vertrag vom Mieter/Pächter übernommen wurden.
Zu den grundstücksbezogenen Aufwendungen, die nach dem gesetzestypischen Lastenverteilungssystem vom Vermieter/Verpächter zu tragen sind und unter die gewerbesteuerliche Hinzurechnung fallen, gehört auch die auf den Mieter/Pächter überwälzte Grundsteuer.
Zivilrechtlich hat der Vermieter die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen. Das umfasst auch die Grundsteuer. Schuldner der Grundsteuer ist derjenige, dem das Grundstück bei der Feststellung des Einheitswerts zugerechnet ist. Das ist regelmäßig der Grundstückseigentümer, d.h. der Vermieter/Verpächter. Allerdings kann die Grundsteuer wie vorliegend vertraglich abgewälzt werden. In diesem Fall gehört auch die wirtschaftlich vom Mieter/Pächter getragene Grundsteuer zu der von ihm zu entrichtenden Miete. Sie fließt damit in die gewerbesteuerlich hinzuzurechnenden Miet-/Pachtzinsen ein.
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat ein Schreiben zur ertragsteuerlichen Behandlung von Kryptowährungen veröffentlicht. Das BMF erläutert viele technische Begriffe und geht auf die Zuordnung zu den einzelnen Einkünften ein, wobei auch vereinzelt die bilanzielle Erfassung dargestellt wird.
Hintergrund
Seit geraumer Zeit gibt es virtuelle Währungen wie z. B. Bitcoin, die in der Praxis zwar als Zahlungsmittel akzeptiert werden, aber keine offizielle Währung darstellen.
Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens:
Das BMF erläutert in einem zehnseitigen Abschnitt die Fachbegriffe wie z. B. Proof of work, Forging, Masternode, Wallets, ICO, UTXO, Lending oder Hard Fork.
Hinweis
Wer diese Begriffe kennt, wird durch das BMF-Schreiben nichts Neues lernen. Wer diese Begriffe noch nicht kennt, wird vermutlich auch nach der Lektüre des BMF-Schreibens nicht schlauer sein.
Für bilanzierende Steuerpflichtige gelten nach dem Schreiben die folgenden Grundsätze:
Hinweis
Ausführungen zu einer möglichen Teilwertabschreibung enthält das BMF-Schreiben nicht. Die Zulässigkeit einer Teilwertabschreibung hängt nach dem Gesetz davon ab, dass der Wert voraussichtlich dauernd gemindert ist.
Durch die Veräußerung, Verwendung oder sog. Blockerstellung können steuerpflichtige Einkünfte erzielt werden:
Hinweis
Nach jedem Tausch beginnt eine neue einjährige Spekulationsfrist.
Hinweis:
Das BMF-Schreiben gilt für alle offenen Fälle. Das Schreiben bindet nur die Finanzverwaltung, nicht aber die Finanzgerichte.
Ungeklärt war bislang, ob und ggf. ab wann eine Teilwertzuschreibung bei Fremdwährungsdarlehen zulässig ist (vgl. 4/2019). Im Streitfall ging es um ein solches Darlehen in Schweizer Franken.
Diese Frage hat der Bundesfinanzhof wie folgt entschieden:
„1. Eine Teilwertzuschreibung wegen voraussichtlich dauernder Werterhöhung von Verbindlichkeiten aus Fremdwährungsdarlehen ist zulässig, wenn der Euro-Wert gegenüber der Fremdwährung aufgrund einer fundamentalen Änderung der wirtschaftlichen oder währungspolitischen Daten der beteiligten Währungsräume gesunken ist.
2. Eine solche Änderung ist anzunehmen, wenn sich die Verhältnisse zwischen den betroffenen Währungsräumen aus Sicht des Bilanzstichtages so außerordentlich und nachhaltig geändert haben, dass nicht angenommen werden kann, der Wechselkurs zu dem Zeitpunkt der Eingehung der Verbindlichkeit werde sich ohne weiteres wieder einstellen.
3. Dies gilt für alle Fremdwährungsdarlehen, d.h. unabhängig davon, ob es sich um ein Darlehen mit unbestimmter oder mit bestimmter Restlaufzeit handelt und ob die Restlaufzeit mindestens zehn Jahre oder weniger beträgt.“
Quelle:
BFH – Urteil vom 10.06.2021 – IV R 18/18 (GmbHR 2022 S. 371)
Wird Know-how durch einen ausländischen Vergütungsgläubiger zeitlich unbegrenzt überlassen, kann dies zu beschränkt steuerpflichtigen Einkünften EStG führen. Dabei ist nicht Voraussetzung, dass das Know-how den vereinbarten Umfang und/oder die vereinbarte Qualität hatte, um die im Inland verfolgten Zwecke zu erfüllen.
Hintergrund
Die K-GmbH vereinbarte mit der P-Kft. (Gesellschaft ungarischen Rechts mit Sitz in Ungarn) den Transfer eines Verfahrens zur Herstellung eines Wirkstoffs verbunden mit dem Transfer des Know-how.
Als Vergütung für die Übertragung der exklusiven Rechte zur Nutzung der Technologie war eine Pauschale von 1 Mio. EUR vorgesehen. Bei Vertragsschluss (2007) sollten hiervon 300.000 EUR gezahlt werden. Von K wurde hierfür keine Abzugsteuer angemeldet, einbehalten oder abgeführt. Das Vertragsverhältnis wurde im Jahr 2009 beendet.
Das Finanzamt ging davon aus, dass K für die Zahlung von 300.000 EUR zum Steuerabzug verpflichtet gewesen war und erließ gegenüber K einen Haftungsbescheid über Körperschaftsteuer i. H. v. 60.000 EUR (20 % von 300.000 EUR). Denn P hatte durch den Technologietransfer beschränkt steuerpflichtige Einkünfte erzielt. K war als Vergütungsschuldnerin dieser Einkünfte ihrer Abzugspflicht jedoch nicht nachgekommen.
Dem folgte das Finanzgericht und wies die Klage ab.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof bestätigte das Finanzgerichtsurteil und wies die Revision der K als unbegründet zurück. P unterlag der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland. K hätte für die Zahlung an P Abzugsteuer einbehalten, anmelden und abführen müssen.
P erzielte inländische Einkünfte. Die Regelung des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG (Nutzungsüberlassung) erfasst auch die Überlassung von Know-how. Das gilt auch dann, wenn das Know-how zeitlich unbegrenzt überlassen wird. Die Überlassung wird nur dann nicht (mehr) von § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst, wenn der Inhaber des Know-how dieses nicht nur zur Nutzung überlässt, sondern veräußert. Denn bei einer Veräußerung des Nutzungsrechts wird dieses nicht mehr (nur) “überlassen”.
Das Finanzgericht hat den Technologietransfervertrag dahin ausgelegt, dass eine zeitlich unbegrenzte Überlassung des Know-how und keine Veräußerung im Sinne einer endgültigen Aufgabe des Know-how durch P in seiner Substanz vorliegt.
Auch der territoriale Inlandsbezug der Einkünfte (“im Inland genutzt”) liegt vor. Das von P überlassene Know-how sollte in einer inländischen Betriebsstätte der Schwestergesellschaft der K genutzt werden. Der Technologietransfervertrag hat ungeachtet seiner vorzeitigen Beendigung zu einem Leistungsaustausch geführt.
Für die Verpflichtung zum Steuerabzug ist es unerheblich, ob der Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG bereits zum Zeitpunkt der Zahlung vollständig erfüllt war. Denn die Steuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Vergütung dem Gläubiger zufließt. Zu diesem Zeitpunkt hat der Schuldner der Vergütung den Steuerabzug für Rechnung des beschränkt steuerpflichtigen Gläubigers (Steuerschuldner) vorzunehmen. Dabei genügt es für die Verpflichtung zum Steuerabzug, wenn die tatsächliche Nutzung im Inland zum Zeitpunkt des Zuflusses beim Gläubiger beabsichtigt war.
Wird die Abzugsteuer nicht ordnungsgemäß einbehalten und abgeführt, hat das Finanzamt die Steuer von dem Vergütungsschuldner durch Haftungsbescheid oder vom Steuerschuldner durch Steuerbescheid anzufordern. Das Finanzamt hat das Auswahlermessen zulasten der K im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des Steueranspruchs gegenüber dem ausländischen Steuerschuldner (P) ohne Ermessensfehler ausgeübt.
Im Streitfall geht es um die Frage, welche steuerlichen Konsequenzen eintreten, wenn eine mit einem Vorbehaltsnießbrauch belastete Immobilie ohne Belastung veräußert wird und vereinbarungsgemäß am neuen Objekt, das mit dem Verkaufserlös erworben wird, wieder ein Nießbrauch bestellt wird.
„Steuerrechtlich kann von dem Fortbestehen eines Vorbehaltsnießbrauchs ausgegangen werden, wenn ein mit einem Vorbehaltsnießbrauch belastetes Grundstück mit Zustimmung des Berechtigten gegen ein anderes Grundstück getauscht und diesem an dem neuen Grundstück wiederum ein Nießbrauch eingeräumt wird.
Auch wenn sich zivilrechtlich der Nießbrauch an dem neuen Grundstück als Zuwendungsnießbrauch darstellt, setzt sich steuerrechtlich nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Vorbehaltsnießbrauch an dem neuen Grundstück als Surrogat fort.“
Dies gilt auch dann, wenn der aus dem bisherigen Vorbehaltsnießbrauch verpflichtete Eigentümer erst durch den Veräußerungserlös, den er durch die lastenfreie Übertragung des Altgrundstücks erzielt, das neu zu erwerbende Grundstück vollständig finanzieren kann, und wenn bereits vor der Löschung des ursprünglich vorbehaltenen Nießbrauchs ausdrücklich vereinbart worden ist, dass künftig eine Nießbrauchsbestellung an dem neu erworbenen Objekt erfolgen muss, die zur Fortsetzung des bisherigen Nießbrauchsrechts bestimmt ist.
Das Gericht gewährte AfA bei der Vermietung des neu erworbenen Ersatzgrundstücks lediglich aus den anteiligen Anschaffungskosten des neuen Gebäudes, da sich der Vorbehaltsnießbrauch als Surrogat fortgesetzt hat, während die Steuerpflichtigen die AfA aus den gesamten Anschaffungskosen geltend machten, da ein entgeltlich erworbener Zuwendungsnießbrauch vorliege.
Quelle:
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.10.2020 – 13 K 452/18 - Revision eingelegt; Az. BFH: IX R 1/21 (EFG 2021 S. 1449)
Umstritten war die sofortige Abzugsfähigkeit von Baubetreuungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Der BFH hat sich für eine weite Auslegung des Schuldzinsenbegriffs entschieden.
„Unter den (weit zu verstehenden) Begriff der Schuldzinsen können auch Kosten für das sog. Projektcontrolling fallen, wenn sie als Finanzierungskosten zu beurteilen sind, weil die Auszahlung der Darlehensraten durch die Bank davon abhängt, dass im Rahmen des Controllings für die Bank relevante Unterlagen vorbereitet und Controlling-Reports erstellt werden.“
Quelle:
BFH-Urteil vom 06.12.2021 – IX R 8/21, NV (DStR 2022 S. 979)
Zu diversen Zweifelfragen der Abzugsfähigkeit von Nachlassregelungskosten haben Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder u.a. wie folgt Stellung genommen.
Steuerberatungskosten, insbesondere für die Erstellung der ausstehenden ESt-Erklärung des Erblassers, können als Nachlasskosten (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG) abgezogen werden, wenn der Erblasser den steuerlichen Berater noch selbst beauftragt hat. Hierunter fällt auch eine über den Tod des Erblassers hinausgehende, nicht gekündigte Beauftragung.
Steuerberatungskosten, die dem Erben anlässlich einer Berichtigung für ursprünglich vom Erblasser abgegebene Steuererklärungen oder für Nacherklärungen für hinterzogene Steuern entstehen, sind als Nachlassregelungskosten (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG) abzugsfähig.
Auch abzugsfähig sind Kosten für die Abgabe von Steuererklärungen für solche Steuerverbindlichkeiten, die vom Erblasser herrühren und damit Nachlassverbindlichkeiten darstellen. Grundsätzlich sind Kosten für die Räumung einer vom Erblasser selbst bewohnten Wohnung nicht abzugsfähig (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG)
Dagegen liegen abzugsfähige Nachlassregelungskosten (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG) vor, soweit die Auflösung des Haushalts des Erblassers darauf gerichtet ist, festzustellen, inwieweit die in der Wohnung befindlichen Gegenstände zum Nachlass gehören.
Aus Vereinfachungsgründen sind Kosten für die Auflösung des Haushalts und Räumung der Wohnung des Erblassers, welche in den ersten sechs Monaten nach dem Erbfall entstehen, der Feststellung des Nachlasses zuzurechnen und damit abzugsfähig.
Quelle:
Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 09.02.2022 – S 3810 (BStBl. 2022 Teil I S. 224)
Vergütungen, die ein Steuerpflichtiger für Vorträge zur Fachanwaltsfortbildung erhält, sind nicht steuerfrei. Insbesondere die Steuerbefreiung für nebenberufliche Tätigkeiten nach § 3 Nr. 26 und 26a EStG kommen nicht in Betracht.
Hintergrund
Der Kläger behandelte Vortragsvergütungen, die er für Vorträge erhielt, die von Verlagen und Verbänden im Rahmen der Fachanwaltsfortbildung organisiert wurden, nach § 3 Nr. 26 EStG als steuerfrei. Das Finanzamt war hingegen der Auffassung, dass die Vorschrift keine Anwendung findet, da die Vorträge nicht gegenüber der Rechtsanwaltskammer als juristischer Person des öffentlichen Rechts erbracht wurden.
Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage.
Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach § 3 Nr. 26 Satz 1 EStG sind Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten u.a. als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten, aus nebenberuflichen künstlerischen Tätigkeiten oder der nebenberuflichen Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union belegen ist, bis zur Höhe von aktuell 3.000 EUR pro Jahr steuerfrei.
Nach § 3 Nr. 26a Satz 1 EStG und § 3 Nr. 26a Satz 2 EStG sind Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten u.a. im Dienst oder Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die z.B. in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union belegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, bis zur Höhe von aktuell 840 EUR im Jahr steuerfrei.
Beide Befreiungstatbestände verlangen also als Leistungsempfänger entweder bestimmte privatrechtliche steuerbegünstigte Körperschaften oder eine Tätigkeit “im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts”.
Im vorliegenden Fall schied eine Steuerbefreiung nach Auffassung des Finanzgerichts bereits deswegen aus, weil Leistungsempfänger der vom Steuerpflichtigen erbrachten Leistungen weder eine private steuerbegünstigte Körperschaft noch eine juristische Person des öffentlichen Rechts war. Die Verlage und Verbände, die mit dem Steuerpflichtigen hinsichtlich der Leistungserbringung, Rechnung und Zahlung in einem unmittelbaren Rechtsverhältnis standen, waren weder steuerbegünstigte Körperschaften noch juristische Personen des öffentlichen Rechts.
Da es vorliegend bereits an einem begünstigten Leistungsempfänger fehlte, konnte dahinstehen, ob die vom Steuerpflichtigen ausgeübten Tätigkeiten das Merkmal einer Tätigkeit “als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten” erfüllen und/oder ob die Tätigkeiten nebenberuflich ausgeübt worden sind.
Manche Pflegeheime bieten auch Leistungen im Zusammenhang mit betreutem Wohnen an. Die an hilfsbedürftige Bewohner erbrachten Betreuungsleistungen einer Seniorenresidenz sind eng mit der Sozialfürsorge verbundene Leistungen und deshalb von der Umsatzsteuer befreit.
Hintergrund
Die Klägerin betreibt eine Seniorenresidenz mit einem Pflegeheim und 7 betreuten Wohnungen. Sie erbringt Leistungen der Kurzzeitpflege und der vollstationären Pflege an Pflegebedürftige i. S. d. SGB XI. In den Jahren 2009 bis 2014 entfielen nicht mehr als 10 % der gesamten Belegungstage auf die Bewohner des betreuten Wohnens und des Pflegeheims mit anerkannter Pflegestufe 0. Nach Auffassung des Finanzamts sind die Leistungen des betreuten Wohnens (mit Ausnahme der Vermietung) nicht umsatzsteuerfrei.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass die Leistungen des betreuten Wohnens grundsätzlich umsatzsteuerfrei sind – mit Ausnahme des bereitgestellten Telefonanschlusses. Nach dem in den Jahren 2009 bis 2014 geltenden § 4 Nr. 16 UStG sind die eng mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen verbundenen Leistungen steuerfrei, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Einrichtungen i. S. d. § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. b)-k) UStG (mit Wirkung vom 1.7.2013: bis Buchst. l)) erbracht werden.
Leistungen i. S. d. Satzes 1, die von Einrichtungen nach den Buchst. b)- k) bzw. l) erbracht werden, sind befreit, soweit es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Anerkennung, der Vertrag oder die Vereinbarung nach Sozialrecht oder die Vergütung jeweils bezieht.
Hilfsbedürftig sind Personen, die aufgrund ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands der Betreuung und Pflege bedürfen, weil sie krank, behindert oder von einer Behinderung bedroht sind. Dies erfordert einen Grundpflegebedarf bzw. Bedarf nach Haushaltshilfe oder eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz. Insoweit hat die Klägerin für die Bewohner eine Hilfsbedürftigkeit in den Streitjahren hinreichend dargelegt.
Zu den nach § 4 Nr. 16 UStG begünstigten für die Sozialfürsorge unerlässlichen Leistungen gehören insbesondere die ambulante Pflege, die hauswirtschaftliche Versorgung, das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, das Waschen der Kleidung, die Gestellung einer Haushaltshilfe, Betreuungsleistungen und die Bereitstellung eines Haus-Notruf-Dienstes. Deshalb zählen die in einem Heim für betreutes Wohnen erbrachten Leistungen grundsätzlich zu den eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Leistungen.
Die Klägerin ist durch die an die hilfsbedürftigen Bewohner erbrachten Leistungen des betreuten Wohnens als durch deren Vergütung vermittelte Anerkennung als qualifizierte Einrichtung anzusehen.
Erforderlich ist darüber hinaus, dass im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle (bzw. ab 1.7.2013: 25 %) von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet wurden. Sind die betreuten Personen aufgrund der Zuerkennung eines Pflegegrads zum Leistungsbezug berechtigt, kann insoweit eine Kostentragung durch die Pflegekassen als Sozialversicherungsträger unterstellt werden.
Aus der MwStSystRL lässt sich keine Steuerfreiheit für Mitgliederbeiträge ableiten. Deshalb kann sich ein Sportverein auf diese unionsrechtliche Steuerbefreiung nicht berufen.
Hintergrund
Der im Streitjahr 2011 nicht als gemeinnützig anerkannte Verein (Golfclub) vereinnahmte Mitgliedsbeiträge. Darüber hinaus erbrachte der Club weitere Leistungen gegen gesondertes Entgelt, und zwar für die Nutzung des Platzes, die leihweise Überlassung von Golfbällen für das Abschlagstraining, die Durchführung von Golfturnieren und Veranstaltungen, bei denen der Club Gelder für Teilnahme vereinnahmte, und für die Überlassung von Caddys sowie für den Verkauf eines Golfschlägers (insgesamt 80.000 EUR).
Das Finanzamt sah diese gesondert vereinbarten Leistungen als steuerbar und steuerpflichtig an. Die mögliche Steuerfreiheit für den Veranstaltungsbereich lehnte das Finanzamt mangels Gemeinnützigkeit des Clubs ab.
Das Finanzgericht gab der Klage statt. Es ging davon aus, bei dem Club habe es sich um eine Einrichtung ohne Gewinnstreben gehandelt, die sich auf die Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL berufen kann.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und wies die Klage ab.
Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten “bestimmte”, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Sport oder Körperertüchtigung ausübende Personen erbringen. Nach der Auffassung des EuGH kann sich eine Einrichtung auf diese Vorschrift nicht unmittelbar berufen, wenn der Mitgliedstaat nur eine begrenzte Zahl sportlicher Dienstleistungen von der Steuer befreit. Das liegt hier vor. Denn § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG befreit nur eine begrenzte Zahl von Dienstleistungen (Veranstaltungen mit Teilnehmergebühren). Der EuGH begründet seine Auslegung damit, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL den Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum bei der Bestimmung der steuerfreien Dienstleistungen lässt. Daraus folgt, dass die Bestimmung keine unmittelbare Geltendmachung ermöglicht.
Der Bundesfinanzhof hat bisher die unmittelbare Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL bejaht. An dieser Rechtsprechung hält der Bundesfinanzhof nicht mehr fest.
Für die Leistungen im Bereich der Veranstaltungsstartgelder kann zwar eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG in Betracht kommen. Die Steuerfreiheit scheitert im Streitfall aber daran, dass es sich bei dem Club nicht um eine Einrichtung ohne Gewinnstreben i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL handelt. Denn hierzu hat der EuGH entschieden, dass der Begriff verlangt, dass das Vermögen bei der Auflösung nicht an ihre Mitglieder verteilt werden kann. Das war bei dem Club im Streitjahr 2011 nicht der Fall.
Eine Schwimmschule erzielt keine umsatzsteuerfreien Umsätze. Denn es handelt sich beim dem Schwimmunterricht nicht um umsatzsteuerbefreiten Schul- oder Hochschulunterricht.
Hintergrund
Sowohl nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht als auch nach dem europäischen Umsatzsteuerrecht werden Unterrichtsleistungen unter bestimmten Voraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit.
Sachverhalt
Die Klägerin war eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die eine Schwimmschule betrieb. Sie behandelte ihre Leistungen in den Jahren 2007 bis 2009 als umsatzsteuerfrei, während das Finanzamt sie als umsatzsteuerpflichtig ansah. Der Fall kam zum Bundesfinanzhof (BFH), der ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) richtete. Der EuGH hat die Umsatzsteuerfreiheit für Schwimmunterricht verneint.
Entscheidung
Der BFH hat nun das Verfahren abgeschlossen, sich der Auffassung des EuGH angeschlossen und die Klage abgewiesen:
Hinweise
Der BFH war an die Entscheidung des EuGH gebunden, so dass das aktuelle BFH-Urteil keine Überraschung mehr ist. Es wird nun aber deutlich, dass der BFH an seiner bisherigen Rechtsprechung, die eher zu einer Umsatzsteuerbefreiung gelangte, nicht mehr festhalten können wird. So hatte der BFH in der Vergangenheit etwa die Umsatzsteuerfreiheit für ein Ballett- und Tanzstudio bejaht, weil jedenfalls ein kleiner Teil der Ballettschüler die spätere Aufnahmeprüfung an der staatlichen Musikhochschule bestand und eine weitere Berufsausbildung anstrebte.
Der BFH lässt zwar offen, ob er hieran noch festhalten wird. Angesichts der Entscheidung des EuGH, der die Umsatzsteuerfreiheit auf typischen Schul- bzw. Hochschulunterricht beschränkt, dürfte dies allerdings kaum der Fall sein.
Fehlt bei der Vercharterung von Segelyachten die Gewinnerzielungsabsicht, gilt ein Vorsteerabzugsverbot.
Hintergrund
Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft i. L., gegründet im Jahr 1997, erwarb insgesamt 6 eigene Segelyachten, die sie ab 2003 bis 2013 wieder veräußerte und in der Zwischenzeit verchartert hatte. Die angemeldete Umsatzsteuer überstieg regelmäßig deutlich die Vorsteuerbeträge. Für die Jahre ab 2005 wurde das Vercharterungsunternehmen ertragsteuerlich als Liebhaberei eingestuft. Deshalb versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug und berief sich dabei auf das Abzugsverbot des § 15 Abs. 1a UStG i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG. Die Umsatzsteuer wurde jedoch erhoben. Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage.
Entscheidung
Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen. Nach Ansicht des Finanzgerichts kommt es auch für die umsatzsteuerrechtliche Betrachtung darauf an, ob die Klägerin in der Absicht gehandelt hat, Gewinn zu erzielen. Da dies nicht der Fall war, kommt das Vorsteuerabzugsverbot des § 15 Abs. 1a UStG zur Anwendung.
Die Umsatzsteuerpflicht setzt zwar grundsätzlich – ebenso wie der Vorsteuerabzug – die Existenz eines Unternehmens voraus, also einer selbstständig ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit, die auch dann vorliegen kann, wenn es an der Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt. Aus der Regelung des § 15 Abs. 1a UStG folgt jedoch, dass das Vorsteuerabzugsverbot auch zu berücksichtigen ist, wenn ein Unternehmen zwar nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen tätig ist, aber ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird.
Das Gericht ging davon aus, dass es dem Kommanditisten offenbar ertragsteuerlich darum ging, die Einkünfte aus einer Arztpraxis mit den Verlusten aus dem Betrieb der Yachtvercharterung verrechnen zu können. Auch bestand eine persönliche Beziehung zum Segeln, da er seit dem Jahr 1978 im Besitz eines “Sportbootführerscheins Küste” und seit dem Jahr 1996 im Besitz des “Sporthochseeschifferscheins” war. Die hohen Verluste waren offenbar über die Jahre hinweg aus Privatmotiven in Kauf genommen worden.
Ein Wohnungseigentümer, der Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft tilgt, kann nur von der Gemeinschaft eine Kostenerstattung verlangen und nicht direkt von anderen Eigentümern. Das gilt auch dann, wenn der Eigentümer aus der Gemeinschaft ausgeschieden ist oder es sich um eine Zweiergemeinschaft handelt.
Hintergrund
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft bestand aus 2 Einheiten, einen Verwalter gab es nicht. Beide Eigentümer zahlten immer wieder Schulden der Gemeinschaft und forderten vom jeweils anderen Eigentümer eine Kostenerstattung gemäß dessen Miteigentumsanteil.
Nachdem einer der beiden Miteigentümer seine Einheit verkauft hatte, verlangte der verbliebene Eigentümer mehr als 7.000 EUR. Der ausgeschiedene Eigentümer rechnete mit Erstattungsansprüchen i. H. v. 4.100 EUR auf.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof entschied, dass dem ausgeschiedenen Miteigentümer kein unmittelbarer Anspruch auf Aufwendungsersatz gegen den verbliebenen Eigentümer zustand. Einem einzelnen Wohnungseigentümer, der eine Verbindlichkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft tilgt, steht nur gegenüber dieser ein Aufwendungsersatzanspruch zu. Da der in Vorlage tretende Wohnungseigentümer für die Gemeinschaft tätig wird und sie von ihrer Schuld befreit, ergibt sich ein Erstattungsanspruch gegen die übrigen Wohnungseigentümer weder aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag noch aus Bereicherungsrecht.
Zwar haften einzelne Wohnungseigentümer für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft in Höhe ihres Miteigentumsanteils auch persönlich. Das gilt aber nicht für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft gegenüber einem anderen Wohnungseigentümer, wenn es sich um Ansprüche handelt, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis herrühren (sog. Sozialverbindlichkeiten). Hierzu gehören auch Aufwendungsersatzansprüche wegen der Tilgung einer Verbindlichkeit der Gemeinschaft.
Die alleinige Haftung der Gemeinschaft besteht unabhängig davon, ob eine Befriedigung aus dem Gemeinschaftsvermögen zu erwarten ist oder nicht. Dies gilt auch in einer Zweiergemeinschaft, in der ein Verwalter nicht bestellt ist und in der wegen des Kopfstimmrechts keine Mehrheitsbeschlüsse möglich sind.
Deshalb kann der ausgeschiedene Eigentümer allein von der Gemeinschaft die anteilige Erstattung seiner Aufwendungen verlangen.
Der verbliebene Eigentümer haftet auch nicht deshalb unmittelbar, weil der ausgeschiedene Eigentümer nicht mehr Mitglied der Gemeinschaft ist. Der während seiner Zugehörigkeit zur Wohnungseigentümergemeinschaft entstandene Erstattungsanspruch bleibt trotzdem eine Sozialverbindlichkeit.
Die Verwendung von Kohle als Heizstoff zur Herstellung von Asphaltmischgut ist gemäß Energiesteuergesetz steuerfrei. Denn bei Asphaltmischgut handelt es sich um eine Ware aus Asphalt.
Hintergrund
Die X betreibt ein Asphaltmischwerk. Dort werden Mineralmischungen aus Kies, Sand oder Splitt in einer Trockentrommel, die mit einer Kombinationsfeuerungseinrichtung für Braunkohlestaub und Heizöl beheizt wird, getrocknet und erhitzt. Dem erhitzten Mineralgemisch wird Asphaltgranulat hinzugegeben, das als Ausbauasphalt im Straßenbau gewonnen und wiederverwendet wird. Abschließend wird dem Mineralgemisch Bitumen als Bindemittel beigefügt.
Das Hauptzollamt erteilte der X im Jahr 2007 unter Widerrufsvorbehalt die Erlaubnis, Kohle als Heizstoff für Prozesse und Verfahren nach dem Energiesteuergesetz zur Herstellung von Asphalt zu verwenden.
Im Jahr 2018 widerrief das Hauptzollamt die Erlaubnis, weil die X keine Waren aus Asphalt, sondern lediglich Asphalt herstelle. Die Herstellung von Asphalt sei kein nach dem Energiesteuergesetz begünstigter Prozess.
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass das Verheizen des Braunkohlestaubs zum Trocknen, Erwärmen und Warmhalten der Mineralmischungen in der Trockentrommel stelle einen begünstigten Prozess dar. Dass die X den Braunkohlestaub nur für das Beheizen der Trockentrommel verwendet habe, stehe der Anwendung der Begünstigung nicht entgegen.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof folgt dem Finanzgericht und entschied, dass es sich bei Asphaltmischgut um eine Ware aus Asphalt im Sinne des Energiesteuergesetzes handelt.
Nach der aktuellen Gesetzesfassung wird eine Steuerentlastung für die Herstellung von ... Waren aus Asphalt ... gewährt. Nach der vorherigen Fassung betrifft die Steuerentlastung die Herstellung von ... Asphalt ... Diese Änderung im Wortlaut ist nicht als bloße Klarstellung, sondern als Gesetzesänderung zu verstehen. In der Vorschrift wird auch an anderer Stelle ausdrücklich zwischen Waren und Erzeugnissen sowie entlastungsfähigen Produktionsprozessen unterschieden, die nicht an die Waren- oder Erzeugniseigenschaft anknüpfen. Diesem Kriterium kommt daher maßgebliche Bedeutung zu.
Bei Asphaltmischgut handelt es sich um eine Ware aus Asphalt im Sinne des Energiesteuergesetzes. Daher ist das von der X hergestellte Asphaltmischgut eine Ware aus Asphalt im Sinne der NACE-Klasse DI 26.82 (Herstellung von sonstigen Erzeugnissen aus nicht metallischen Mineralien, a.n.g.).
Hiervon ausgehend hat das Hauptzollamt die erteilte Erlaubnis zur steuerfreien Verwendung von Kohle als Heizstoff für die Herstellung von Asphalt zu Unrecht widerrufen, weil diese rechtmäßig war und auch nicht aufgrund des Widerrufsvorbehalts widerrufen werden durfte.
Verzögerungen des Sitzungsbetriebs beim Finanzgericht, die coronabedingt eingetreten sind, führen nicht zur Unangemessenheit der gerichtlichen Verfahrensdauer. Denn sie sind nicht dem staatlichen Verantwortungsbereich zuzuordnen.
Hintergrund
X war für eine in der Schweiz ansässige GmbH als Medienberater selbstständig tätig. Das Finanzamt bejahte insoweit im Inland steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistungen.
Mit seiner Klage beantragte X die Herabsetzung der Umsatzsteuer auf 0 EUR, die Klage wurde am 19.1.2018 erhoben. Nach Schriftsatzaustausch beantragte X am 23.5.2018 die Anberaumung eines Termins zur Beweisaufnahme und mündlichen Verhandlung.
Am 15.1.2020 erhob X eine Verzögerungsrüge und beantragte nachdrücklich, die Sache unverzüglich zu laden. Am 23.1.2020 forderte der Berichterstatter beim Finanzamt die Verwaltungsakte an, die am 5.2.2020 vorgelegt wurden. Mit Verfügung vom 8.7.2020 bestimmte der Vorsitzende den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 21.8.2020.
Mit Urteil vom 21.8.2020 wies das Finanzgericht die Klage ab. Das Urteil wurde am 14.9.2020 zugestellt, also 2 Jahre und 7 Monate nach Klageerhebung.
Am 20.10.2020 erhob X Klage beim Bundesfinanzhof gegen das Land wegen des von ihm als verzögert angesehenen Rechtsstreits vor dem Finanzgericht.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof wies die Entschädigungsklage als unbegründet zurück. Er entschied, dass die Dauer des Ausgangsverfahrens nicht unangemessen war, da die pandemiebedingten Verzögerungen dem Finanzgericht nicht zurechenbar sind.
Wer aufgrund unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens (als Verfahrensbeteiligter) einen Nachteil erleidet, kann entschädigt werden. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Beteiligten und Dritter.
Für die Dauer finanzgerichtlicher Verfahren geht der Bundesfinanzhof grundsätzlich von der Vermutung aus, dass der Finanzrichter bei einem typischen durchschnittlichen Klageverfahren gut 2 Jahre nach dem Klageeingang konsequent auf die Erledigung des Verfahrens hinwirken muss und das Gericht die Akte nicht unbearbeitet lässt.
Im vorliegenden Fall waren Leistungserbringer bzw. -empfänger zu bestimmen und der Auslandsbezug zu berücksichtigen. Es handelt sich um ein durchschnittliches erstinstanzliches Klageverfahren. Besondere Eilbedürftigkeit hat X nicht geltend gemacht, sodass von der 2-Jahres-Regelvermutung auszugehen ist.
Diese Zeitspanne endete, ausgehend von der Klageerhebung im Januar 2018, mit Ablauf des Januars 2020. Sie ist eingehalten, da der Berichterstatter im Januar 2020 vom Finanzamt die Akten angefordert hat.
Für die nachfolgenden Monate bis einschließlich Juni 2020 ist von einer pandemiebedingten Verzögerung des Klageverfahrens auszugehen. Diese Verzögerung ist allerdings dem beklagten Land nicht zuzurechnen. Sie führt nicht zur Unangemessenheit der gerichtlichen Verfahrensdauer. Bei der Pandemie handelt es sich um ein derart außergewöhnliches, beispielloses Ereignis, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Justizbehörden Vorsorge für die Aufrechterhaltung einer stets uneingeschränkten Rechtspflege hätten treffen müssen.
Über die bei der Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen (IZA) gespeicherten Daten besteht kein Auskunftsanspruch. Die AO-Vorschriften schließen das DSGVO-Auskunftsrecht zulässig aus.
Hintergrund
Die X ist eine im Ausland registrierte Gesellschaft. Das Finanzamt Z führte für die Jahre 2006 bis 2012 eine Fahndungsprüfung durch, die zu geänderten Bescheiden und in ein Klageverfahren führte. Zentraler Streitpunkt war die Frage, wo die geschäftliche Oberleitung der X tatsächlich ansässig war. Die Finanzverwaltung meinte, dies sei im Inland gewesen. Vor dem Finanzgericht kam es im Jahr 2018 zu einer tatsächlichen Verständigung dahin, dass die geschäftliche Oberleitung sich bis 2008 im Inland und ab 2009 im Ausland befunden hat.
Im Jahr 2018 beantragte X beim BZSt die Änderung der über sie bei der IZA gespeicherten Daten. Im Wesentlichen wandte sie sich gegen eine Ansässigkeit im Inland. Sie legte Firmenprofile der IZA über sie, die X, aus 2014 und 2018 vor, in denen sie als Briefkastenfirma und Offshore-Gesellschaft bezeichnet wird, die nach Ermittlungen des Finanzamts Z keine inländische Betriebsstätte unterhalte.
Das Finanzamt und ihm folgend das Finanzgericht lehnten den Antrag ab. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung steht hinter dem Interesse des Staats an einer ordnungsgemäßen Besteuerung zurück.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof wies die Revision zurück. X steht weder ein Anspruch auf Auskunft noch auf Änderung der Datensätze bei der IZA zu. Die Ansprüche aus der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sind in zulässiger Weise durch die AO eingeschränkt worden.
Art. 23 DSGVO ermöglicht die Einschränkung der Rechte aus Art. 13 bis 17 DSGVO durch das nationale Recht, soweit die Beschränkung den Wesensgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten achtet und in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme (u.a. im Steuerbereich) darstellt. Dabei müssen die nationalen Rechtsvorschriften der Verfassungsordnung des betreffenden Mitgliedstaats entsprechen.
X steht über die bei der IZA gespeicherten Daten kein Auskunftsrecht zu. Die Auskunftsansprüche aus Art. 15 DSGVO sind nach § 32c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO ausgeschlossen. Eine Auskunftserteilung über die bei der IZA gesammelten Daten würde die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Finanzbehörden gefährden.
Eine Datensammlung würde ihren Zweck verfehlen, wenn der Betroffene wüsste, welche Daten über ihn gespeichert sind. Zentral gesammelte Daten wären keine zuverlässige Entscheidungsgrundlage für die gleichmäßige Besteuerung und damit wertlos.
Die Interessen der betroffenen Person an der Informationserteilung müssen demgegenüber zurücktreten. Der einfachgesetzliche Auskunftsanspruch steht hinter den überwiegenden Allgemeininteressen zurück.